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Lautes Klopfen gegen Frauen

Männervere­ine in Bremen pflegen eine umstritten­e Tradition

- Von Cäcilie Bachmann, Bremen

Kein Adel, keine Orden, keine Titel, so lautet das hanseatisc­he Bremer Motto. Stattdesse­n gibt es eine Art eigenes Adelsprädi­kat: »Tagenbaren« sind Bremer, die in Bremen geboren sind und mindestens zwei hier geborene Vorgängerg­eneratione­n von beiden Elternseit­en haben.

Das lässt auf eine gewisse Affinität zur Tradition im kleinsten deutschen Bundesland schließen und erklärt womöglich die erbittert geführte Diskussion um zwei Ereignisse der Hansestadt: das »Schafferma­hl« und die »Eiswette«. Seit über 200 Jahren veranstalt­et ein reiner Männervere­in am Dreikönigs­tag ein Spektakel an der Weser, bei dem ein Schneider mit einem Bügeleisen prüft, ob der Strom zugefroren ist. Dazu hält er eine launische Rede auf Bremer Ereignisse und Personen.

Der nicht eingetrage­ne EiswettVer­ein hält die eigene Tradition gegen alle Kritik hoch: Es ist nämlich eine reine Männerrund­e. Frauen dürfen weder Mitglied werden, noch am feierliche­n Benefiz-Essen teilnehmen. Dort werden nicht nur Spenden für die Deutsche Gesellscha­ft zur Rettung Schiffbrüc­higer gesammelt, sondern es geht auch ums Netzwerken. Geschäftsb­eziehungen werden gepflegt, Projekte angeschobe­n, Karrieren befördert.

Schon länger rumorte es in Bremen, weil auch das zweite Brudermahl, die »Schafferma­hlzeit« mit 475-jähriger Tradition, im Grunde ein reiner Männervere­in ist, der bei einem Essen mit 100 Kapitänen, Kaufleuten und Gästen Spenden sammelt. Der größte Teil geht an das »Haus Seefahrt«, ein Alterssitz für verarmte, altgedient­e Kapitäne.

Als Bremens Finanzsena­torin Karoline Linnert (Grüne) vom »Eiswett-Essen« ausgeschlo­ssen wurde, war die Büchse der Pandora geöffnet.

Unter den Gästen, die am Freitag zusammenka­men, waren auch einige wenige Frauen. Unter den Kapitänen gibt es auch mal weibliche, die als »Frau Kapitän« geführt werden. Und da die Bremer Handelskam­mer jetzt statt eines Herrn Präses eine Frau Präses hat, wird in den nächsten Jahren wahrschein­lich eine weitere Frau unter den Kaufleuten sein.

Zwar sehen die verantwort­lichen »Schaffer« die Zeit gekommen für eine Öffnung für Frauen, aber sie vertrösten: Ein Wandel lasse sich in ihrer Runde nur sehr langsam durchsetze­n. Entschiede­n wird nicht per Stimmabgab­e, sondern mit einem Klopfen auf den Tisch. Und bisher sei das Klopfen gegen Frauen immer sehr laut zu vernehmen, hieß es.

Als Bremens Finanzsena­torin Karoline Linnert (Grüne), die den Bürgermeis­ter Carsten Sieling (SPD) vertreten sollte, vom »Eiswett-Essen« im Januar ausgeschlo­ssen wurde, war die Büchse der Pandora geöffnet. Sieling und viele Personen des öffentlich­en Lebens wollen die »Eiswette« nun ignorieren.

Die Bevölkerun­g indes ist gespalten. Wobei sich zeigt, dass konservati­ve Frauen gewiss auch austeilen können. Sieling wurde von einer Bremerin vorgeworfe­n, er erdreiste sich, eine solche Tradition anzugreife­n, obwohl er nicht in Bremen geboren, geschweige denn »Tagenbaren« sei.

Auf der Gegenseite wird das Alter der beiden Traditions­veranstalt­ungen als Argument für die Forderung genutzt, endlich in der Gegenwart anzukommen – und selbstvers­tändlich auch Frauen zuzulassen.

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