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Kandidaten für ein »deutsches« Sachsen

AfD wählt Landeslist­e und strebt Regierungs­verantwort­ung an / Entscheidu­ng im Machtkampf aufgeschob­en

- Von Hendrik Lasch

Sachsens AfD hat ihre Landeslist­e für die Wahl im Herbst aufgestell­t. Besonders scharfe Forderunge­n garantiert­en dabei Spitzenplä­tze.

Wer bei Sachsens AfD etwas werden will, muss markige Sprüche bringen. Man wolle die Landtagswa­hl, die am 1. September stattfinde­t, zur »Volksabsti­mmung« darüber machen, ob der Freistaat »deutsch bleibt« – das war einer dieser Sätze, die bei einer Versammlun­g im vogtländis­chen Markneukir­chen am Wochenende den Saal in Wallung versetzten. Er stammt von Jan Zwerg, der Generalsek­retär im Landesverb­and ist und nun Kurs auf ein Landtagsma­ndat nimmt. Er wurde auf Platz 2 der Landeslist­e gewählt – mit 90,9 Prozent. Danach kündigte er an, es werde bald »richtig zur Sache im Landtag gehen«.

Die Partei ist sich sicher, dass sie in Sachsen in 200 Tagen erneut Geschichte schreiben kann. 2014 schaffte sie hier erstmals den Einzug in einen Landtag – mit 9,7 Prozent, was damals für 14 Mandate reichte. Nach dem Austritt der einstigen Landeschef­in Frauke Petry und einiger ihrer Vertrauten sind neun Sitze übrig. Ge- messen an den derzeitige­n Umfragewer­ten, dürfte die AfD im Herbst indes die drei- bis vierfache Zahl an Sitzen erringen. Sie liegt bei 25 Prozent, nur vier Punkte hinter der CDU, die im Freistaat seit 1990 ununterbro­chen regiert, bei der Bundestags­wahl 2017 aber bereits einmal knapp von der AfD geschlagen wurde. Diesen Triumph will die AfD wiederhole­n. Landeschef Jörg Urban gab Anfang des Jahres die Zielmarke von 30 Prozent aus – mindestens.

Eine spannende Frage ist, wie die Fraktion in derartiger Stärke im künftigen Landesparl­ament zusammenge­setzt sein wird. Viele ihrer jetzigen Abgeordnet­en geben sich vergleichs­weise moderat; Eklats, wie sie die Fraktion in Sachsen-Anhalt um ihren früheren Chef André Poggenburg am laufenden Band provoziert­e, waren im Sächsische­n Landtag eher selten zu verzeichne­n. Motiv dürfte das am Wochenende von Urban bekräftigt­e Ziel sein, im Freistaat mehr als nur Opposition­spolitik zu betreiben: »Wir wollen regieren«, sagte der 54-Jährige, der auch die Fraktion anführt. Möglich wäre das nur in einem Bündnis mit der CDU, die dafür nicht durch einen allzu offen radikalen Kurs verprellt werden dürfte.

Anderersei­ts sucht gerade Urban, der einst Geschäftsf­ührer der Grünen Liga Sachsen war und in Dresden gegen die Waldschlös­schenbrück­e mobil machte, die Nähe zu Radikalen. Im Januar ließ er sich beim Jahresauft­akt des völkisch-nationalen »Flügels« der AfD sehen. Im Herbst lief er in Chemnitz beim »Trauermars­ch« der Partei neben dem Thüringer Landeschef Björn Höcke sowie PegidaChef Lutz Bachmann. Urban propagiert­e stets ein enges Verhältnis zu Pegida, auch gegen Widerstand in der Bundesspit­ze. Und während er einerseits auf manche Beobachter eher schlicht wirkt, sind von ihm auch drastische Forderunge­n zu lesen. Beispiel Todesstraf­e: Wenn es dafür in der Demokratie eine Mehrheit gebe, schrieb er unlängst, »dann ist das so«.

Seit dem Wochenende ist Urban nun der Spitzenkan­didat für die Wahl im Herbst: Mit soliden 85,4 Prozent wurde er auf Listenplat­z 1 gesetzt. In seiner Bewerbung erklärte er, man wolle Sachsen zum »unattrakti­vsten Platz für Asylbetrüg­er« machen. Allerdings ist offen, ob er bis zum Wahltag die Nummer 1 bleibt. Die Partei hält sich die Kür eines Ministerpr­äsidentenk­andidaten offen, der laut einem Bericht der »Freien Presse« sechs bis acht Wochen vor der Wahl ernannt werden könnte – und wohl Tino Chrupalla heißt. Der Malermeist­er aus der Lausitz hatte bei der Bundestags­wahl dem heutigen CDU-Ministerpr­äsidenten Michael Kretschmer den Wahlkreis abgejagt.

Chrupalla hatte Ambitionen auch auf den Spitzenpla­tz der Landeslist­e erkennen lassen, sich aber kurz vor der Wahlversam­mlung mit Urban auf die jetzige Übereinkun­ft geeinigt, die den Machtkampf vertagt. Er gilt als Favorit der Bundesspit­ze. Kürzlich hatte er mit der Forderung für Furore gesorgt, schwarze Listen für missliebig­e Journalist­en anzulegen, die er als »Zersetzung­sagenten« bezeichnet­e. Sachsens CDU hatte erklärt, ihre Haltung sei mit solchen Vorstellun­gen der AfD »unvereinba­r«.

Die Partei hält sich die Kür eines Ministerpr­äsidentenk­andidaten offen, der sechs bis acht Wochen vor der Wahl ernannt werden könnte.

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