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Ein Freigeist für Joachim Löw

Der Leverkusen­er Julian Brandt bewirbt sich als Zehner ausdrückli­ch für das Nationalte­am

- Von Frank Hellmann, Mainz

Seit Peter Bosz in Leverkusen Trainer ist, geht es mit Bayer aufwärts. Weil er nach holländisc­her Fußballsch­ule spielen lässt und damit einige wegweisend­e Umstellung­en in der Mannschaft vorgenomme­n hat.

Die Wangen waren noch immer ein bisschen gerötet, als Julian Brandt im Nachgang eines außergewöh­nlich unterhalts­amen Bundesliga­spiels ebenso gelöst wie geduldig Auskunft erteilte. »Die Leichtigke­it war da, es hat viel funktionie­rt.« Speziell bei dem Akteur, dem sie nicht nur bei Bayer Leverkusen, sondern auch bei der deutschen Nationalma­nnschaft die Nummer zehn zugeteilt haben. Effektiv und entschloss­en wie selten zuvor hatte der 22-Jährige dem rasanten Aufwärtsau­ftritt am Mainzer Europakrei­sel seinen Stempel aufgedrück­t: Mit zwei Toren und zwei Vorlagen avancierte Brandt am Freitagabe­nd bei der 5:1-Gala zur prägenden Figur. Eine Rakete nach der anderen zündete der blonde Feuerwerke­r – und seine Gegenspiel­er standen mit staunenden Gesichtern nur daneben.

Nun ist es nicht so, dass das Talent des gebürtigen Bremers erst an diesem Abend erstrahlte, aber wer an Brandt dachte, hatte zuerst eigentlich einen hoch veranlagte­n Tempodribb­ler vor Augen, der ab und an mal am Flügel den Turbo anwirft, jedoch öfter auch mal hängen bleibt. Seit Peter Bosz bei der Werkself das Sagen hat, ist das Grundmuste­r holländisc­her Fußballsch­ule im 4-3-3-System zu besichtige­n, bei dem Brandt zwar weder ganz links oder rechts außen auftaucht, aber trotzdem gesetzt ist. In zentraler Mittelfeld­rolle mit Blickricht­ung nach vorne und direkterem Zug zum Tor.

»Wenn man außen spielt, ist man an der Position gebunden und hat weniger Raum. So kann ich wie ein Freigeist hin- und herlaufen«, sagte Brandt: »Ich fühle mich in dieser Rolle momentan sehr wohl.« Er habe immer gewusst, was in ihm stecke, bemerkte er noch und gestand, dass er sein Potenzial bisher zu selten ausgeschöp­ft habe. Aber betraf das in der Hinrunde nicht das gesamte merkwürdig schwergäng­ige Team? Erst unter Bosz scheint sich unter dem Bayer-Kreuz die lang vermisste Leichtigke­it zu entfalten, weil die privat gut befreundet­en Toptalente Brandt und Kai Havertz sich als offensives Mittelfeld­gespann kongenial entfalten können.

»Das überträgt sich auf den Platz, wir haben oft dieselben Ideen«, erklärte Brandt. »Ich bin sein Freund und will ihn nicht allzu hochjubeln, aber sein Weg geht immer weiter nach oben«, ergänzte der erst 19-jährige Havertz. Ihr Trainer muss nach drei Siegen in der Liga nur darauf achten, dass Ausrutsche­r wie vergangene­n Dienstag bei der Pokalblama­ge in Heidenheim ein Einzelfall bleiben. Kommenden Donnerstag in der Europa League in Krasnodar, warnte Brandt vorsorglic­h, »sollten wir an die Sache nicht so rangehen«. Schließlic­h soll der Positionsw­echsel im Verein eine Blaupause für das Nationalte­am sein. Nach den letzten Länderspie­len des vergangene­n Jahres gelten bei Joachim Löw die Sprinter Serge Gnabry, Leroy Sané und Timo Werner gemeinhin als Angriffstr­io der Zukunft – für den begabten Brandt bliebe da wieder nur der Part als Ergänzungs­spieler. Es sei denn, er rückt auch hier eine Reihe dahinter. »Der Bundestrai­ner wird’s schon gesehen haben. Wenn ein Zehner gesucht wird und er der Meinung ist, wir haben keinen im Kader, dann denke ich, dass ich die Qua- litäten hätte.« Er wolle sein Betätigung­sfeld gerne erweitern, lautete die Botschaft, die für seine Karriere noch ziemlich wichtig sein kann.

Warum sollte Löw im Freundscha­ftsspiel 20. März gegen Serbien in Wolfsburg nicht mal austesten, wie sich Brandt und Havertz gemeinsam im Mittelfeld des Nationalte­ams vertragen, wenn der Münchner Joshua Kimmich die beiden so absichert wie in Leverkusen der Chilene Charles Aranguiz. Zumal sich Toni Kroos für weniger wichtige Länderspie­le ohnehin Kunstpause­n erbeten hat. Und wenn Löw noch zögert, kann er gerne auch Bosz befragen. Der hat nämlich eine klare Meinung, wo einer wie Brandt am besten aufgehoben ist: »Julian hat früher auf den Flügeln gespielt, aber ich habe ihn in der Mitte gesehen. Er ist ein sehr guter Spieler, und guten Spielern muss man oft den Ball geben.«

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Foto: imago/Scheiber Julian Brandt (r.) fliegt derzeit noch etwas höher als sein gelobter Leverkusen­er Kollege Kai Havertz.

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