Kein Börsengang von Saudi Aramco
Herrscherhaus nimmt vorerst Abstand von Aktienplatzierung, da sie deutlich weniger als erhofft eingebracht hätte
Die Entwöhnung der saudischen Wirtschaft vom Öl kommt nicht voran. Viele Megaprojekte stocken, und nun ist auch noch der Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco vorerst gescheitert.
Es wäre ein Börsengang gewesen, der alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt hätte: Mindestens 100 Milliarden US-Dollar wollte der saudische Thronfolger und De-factoMachthaber Mohammad bin Salman mit dem Börsengang des staatseigenen Ölkonzerns Saudi Aramco einnehmen. Dabei sollten erst einmal nur fünf Prozent der Anteile des weltweit wertvollsten Unternehmens der Branche an die Börsen gebracht werden.
»So etwas braucht Zeit«, meinte der saudische Ölminister Khalid al Falih lapidar, als er am Rande eines Treffens der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) kürzlich gefragt wurde, warum aus dem spektakulären Schritt denn noch nichts geworden sei. Und er fügte an: »Wir wollen dieses Projekt zum größtmöglichen Erfolg führen.« Tatsächlich wurde der Börsengang bereits mehrmals verschoben; statt eines konkreten Datums spricht al Falih nun nur noch vage von »2021«, während ein Sprecher von Saudi Aramco sagte, dass man sich nun vor allem »auf den Ausbau des Unternehmens zum weltweit führenden Energiekonzern konzentrieren« werde: »Eine teilweise Privatisierung hat derzeit keine Priorität.«
Stattdessen soll der Ölkonzern mit Sitz in der Hafenstadt Damman am Persischen Golf zu einem gigantischen Energiemulti heranwachsen: Durch eine Fusion mit dem saudischen Chemiekonzern Sabic sollen Ölproduktion und -verarbeitung gebündelt werden. Sabic befindet sich derzeit zu zwei Dritteln im Besitz eines Staatsfonds, der nun seine Anteile an Saudi Aramco verkaufen soll. Schon Ende Dezember hatten die Saudis zudem die Anteile des Kölner Chemiekonzerns Lanxess am Kautschukproduzenten Arlanxeo über- nommen; das Unternehmen, dessen Produkte unter anderem in der Reifenherstellung sowie der Bauindustrie verwendet werden, war 2016 als Joint-Venture von Lanxess und Saudi Aramco gegründet worden.
Dass man nun offensichtlich den Kurs wechselt, liegt vor allem an der Skepsis internationaler Investoren: Spätestens seit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi gilt Saudi-Arabien vielerorts als Land, mit dem man möglichst wenig zu tun haben möchte. Zudem zeigte sich während der Vorbereitungen für den Bör- sengang, dass das saudische Kronjuwel, dessen Einnahmen mehr als 90 Prozent des Staatshaushaltes finanzieren, einige Schönheitsfehler hat. Lange Zeit waren Ölvorkommen und die wirtschaftlichen Eckdaten von Saudi Aramco wie ein Staatsgeheimnis behandelt worden; als dann erste Zahlen veröffentlicht wurden, zeigte sich, dass der Gesamtwert des Konzerns erheblich unter den stets von der Regierung genannten zwei Billionen US-Dollar liegen dürfte.
Als weiteres Problem kam hinzu, dass die saudische Regierung den Ölpreis als politisches Instrument nutzte, um den Erzfeind Iran am wirtschaftlichen Wiederaufbau zu hindern. Das Ergebnis waren höhere Staatsdefizite, die man durch Steuern und einen Abbau von Sozialleistungen aufzufangen versuchte. Öffentlicher Unmut darüber wurde mit dem Versprechen wirtschaftlicher Reformen gekontert; »Vision 2030« nannte Mohammad bin Salman den Plan: Ein riesiges Urlaubsgebiet am Roten Meer soll entstehen, außerdem eine neue Stadt namens »Neom«, die ihren Energiebedarf komplett aus Wind- und Sonnenkraft beziehen und zur Heimat von elf neuen Wirtschaftszweigen werden soll. Bis 2030, so der Plan, soll mit der Ölproduktion nur noch die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes verdient werden.
Doch auch diese Projekte sind ins Stocken geraten; die Regierung hat schlicht das Geld dafür nicht. Zudem ist unklar, woher die Bewohner von »Neom« kommen sollen, zumal in Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten ebenfalls Technologieparks und neue Städte gebaut werden, mit den gleichen Zielen.
In Riad wird nur noch selten von solchen Projekten gesprochen. Stattdessen gab Ölminister al Falih über die staatliche Nachrichtenagentur SPA bekannt, man wolle mit mehr als 300 Einzelprojekten in den Bereichen Infrastruktur, erneuerbare Energien und Rüstung »ein Drittel der Vorgaben der Vision 2030« erfüllen. Finanzieren sollen das Paket im Umfang von 425 Milliarden US-Dollar internationale Investoren in einem Zeitraum von zehn Jahren.
Der Börsengang wurde bereits mehrmals verschoben. Statt eines konkreten Datums spricht der saudische Ölminister Khalid al Falih nun nur noch vage von »2021«.