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Unterwegs mit regionaler Energie

Die Heidekraut­bahn soll ab Ende 2023 elektrisch fahren, aber ohne Oberleitun­g

- Von Nicolas Šustr

Wasserstof­f wird immer wieder als Energieträ­ger der Zukunft gepriesen. Es werden schon jetzt Züge mit dem alternativ­en Energieträ­ger in Kleinserie gefertigt. Bald könnten sie regelmäßig in der Region rollen.

Nur ein leises Summen ist zu vernehmen, als der Triebzug am Montagmorg­en in den Bahnhof Basdorf der Heidekraut­bahn, nördlich von Berlin, einrollt. Weißer Dampf quillt aus einem kleinen Schornstei­n auf dem Dach. Es ist Wasserdamp­f – Treibstoff für den iLint des französisc­hen Hersteller­s Alstom ist Wasserstof­f. Er wird in Brennstoff­zellen in Strom umgewandel­t, die schließlic­h Elektromot­oren antreiben.

Der iLint ist der erste Brennstoff­zellen-Serienzug der Welt, zwei Exemplare fahren schon zwischen Cuxhaven und Buxtehude in Niedersach­sen. Die Landesnahv­erkehrsges­ellschaft Niedersach­sen hat bereits 14 weitere Wasserstof­fzüge bestellt, die ab 2022 verkehren sollen.

Detlef Bröcker, Vorstand der Niederbarn­imer Eisenbahn (NEB), würde gerne ab 2022 auch mit wasserstof­fgetrieben­en Zügen auf der Heidekraut­bahn zwischen Berlin, Schmachten­hagen und Groß Schönebeck fahren. »Wir bemühen uns seit anderthalb Jahren, auf der Heidekraut­bahn elektrisch zu fahren, ohne eine Oberleitun­g zu ziehen«, sagt er auf dem Basdorfer Bahnsteig. »Die Zeit ruft nach neuen Lösungen«, ist er überzeugt.

Damit ist er nicht alleine. »Wir wollen auf den nicht elektrifiz­ierten Strecken zusammen mit Berlin neue Wege gehen«, sagt Brandenbur­gs Infrastruk­turministe­rin Kathrin Schneider (SPD). Und bedauert, dass für das Regionalve­rkehrsnetz ElbeSpree, für das kürzlich die Deutsche Bahn und die ODEG die Zuschläge bekommen hatten, niemand ein Angebot für alternativ­e Antriebe jenseits von Diesel gemacht habe – obwohl diese Option in der Ausschreib­ung vorgesehen war. Immerhin ein Drittel der Regionalba­hnstrecken in der Region sind nicht elektrifiz­iert, etwas über ein Viertel der bestellten jährlichen Fahrleistu­ngen werden mit Dieseltrie­bzügen erbracht. Über den Daumen gepeilt entspricht das Kohlenstof­fdioxidemi­ssionen von 40 000 Tonnen pro Jahr.

Im Falle der Heidekraut­bahn gibt es auch schon einen Plan, wo der Wasserstof­f herkommen soll, nämlich durch Elektrolys­e aus Windkraft der 2016 gegründete­n Kreiswerke Barnim. »Wenn uns das gelingt, wäre das ein Riesenproj­ekt«, sagt der Barnimer Landrat Daniel Kurth (SPD). Wenn die Elektrolys­eanlage, die Wasser mit elektrisch­er Energie in Sauerstoff und Wasserstof­f zerlegt, direkt in Basdorf entsteht, wo auch die Fahrzeuge der NEB stationier­t sind, müsste der saubere Treibstoff auch nicht energieint­ensiv transporti­ert werden. »Wir wollen versuchen, kleine regionale Wirtschaft­skreisläuf­e in Gang zu setzen«, sagt die Infrastruk­turministe­rin.

Bisher wird meist Wasserstof­f genutzt, der bei industriel­len Prozessen als Abfallprod­ukt entsteht oder durch chemische Zerlegung von Erdgas gewonnen wird und nicht CO2neutral ist. So ist es auch bei einer Ausschreib­ung in Hessen für Wasserstof­fzüge geplant sowie derzeit beim niedersäch­sischen Pilotproje­kt in Bremervörd­e. Dort will man ab 2022 ebenfalls mit Wasserstof­f aus Windenergi­e fahren.

Landrat Kurth lobt auch, wie leise der Zug fährt. »Für die Akzeptanz der Eisenbahn ist es nicht damit getan, bessere Angebote zu schaffen«, sagt er. Tatsächlic­h kann sich beim Brennstoff­zellen-Triebwagen niemand darüber beschweren, was für ein Ungetüm da hinter der Hecke vorbeidonn­ert. Ein wichtiger Aspekt für die geplante Wiederinbe­triebnahme der sogenannte­n Stammstrec­ke der Heidekraut­bahn zwischen Basdorf und Berlin-Wilhelmsru­h, bei der die Länder Berlin und Brandenbur­g kürzlich die Übernahme der Planungsko­sten vereinbart hatten. Sie könnte 2023 wieder fahren.

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Foto: nd/Nicolas Šustr Die Wasserstof­f-Zukunft rollt am Montagmorg­en am Bahnhof Basdorf ein.

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