Bildungsticket fünf Jahre verspätet
Erste Schritte zu besseren Nahverkehrsangeboten für Schüler und Lehrlinge in Sachsen
Sächsische Schüler sollen preiswert Bus und Bahn fahren können – aber erst nach Schulschluss. Andere Verbesserungen wurden in die nächste Wahlperiode verschoben.
Als sich CDU und SPD in Sachsen im Herbst 2014 auf die Bildung einer Regierung einigten, durften Schüler und ihre Eltern auf Entlastung für die Familienkasse hoffen. Die Koalition versprach ihnen ein »sachsenweit gültiges und kostengünstiges Bildungsticket«. Schon bis Ende 2015, so stand im Koalitionsvertrag, sollte ein Vorschlag für die Einführung vorgelegt werden. Damit hätten Familien vor allem auf dem Land viel Geld sparen können. Sie geben bis zu 250 Euro im Monat für den Schulbus aus.
Die Frist ist lange verstrichen, doch ein Bildungsticket gibt es weiter nicht. Immerhin erfolgte jetzt eine Ansage zur voraussichtlichen Verspätung. Sie dürfte fünf Jahre betragen. Nach einem Treffen von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Chefs der fünf ÖPNV-Zweckverbände hieß es, man »strebe an«, das Ticket im Schuljahr 2020/21 einzuführen.
Bis dahin gibt es immerhin erste Verbesserungen. Sie kommen vor allem Lehrlingen zugute. Am 1. August diesen Jahres, einen Monat vor der Landtagswahl, wird ein Azubi-Ticket eingeführt, das für 48 Euro im Monat zur Nutzung aller Busse und Bahnen in einem Verkehrsverbund berechtigt – vorausgesetzt, es wird ein Abo für das gesamte Jahr abgeschlossen. Für fünf Euro können weitere Verbundgebiete hinzugebucht werden. Für Schüler soll es ein »Freizeitticket« geben, das – ebenfalls im Abo – zehn Euro kosten soll und die Nutzung des Nahverkehrs ab 14 Uhr sowie an Wochenenden und in den Ferien ermöglicht. Der eigentliche Schulbus muss weiter extra bezahlt werden.
Mit der kurzfristig verkündeten Einigung wird ein Streit zwischen dem SPD-Minister und den die Verkehrsverbünde regierenden Landräten, allesamt mit CDU-Parteibuch, zumindest teilweise beigelegt. Beide Seiten hatten sich ein zähes Tauziehen geliefert, seit im Jahr 2017 eine vom Ministerium eingesetzte ÖPNV-Strategiekommission nach zweijähriger Arbeit ihre Vorschläge vorgelegt hatte. Der Konflikt, in dem es vor allem um die Finanzierung etwa des Bildungstickets ging, war so festgefahren, dass Dulig Anfang November drohte, die Verkehrsverbünde abzuschaffen und durch eine landesweite Nahverkehrsgesellschaft zu ersetzen. Auf einem Parteitag präsentierte er sogar schon deren Namen: SÄMOG – Sächsische Mobilitätsgesellschaft. Die CDU lehnte den Vorstoß strikt ab. Nach der jetzigen Einigung frohlockte der CDU- Abgeordnete Frank Heidan, Dulig habe doch noch »auf die Landräte und die CDU-Fraktion gehört«. Die Jusos wiederum machten dafür, dass kein landesweites Bildungsticket angeboten wird, das »Kirchturmdenken« der CDU-Landräte verantwortlich.
Jenseits solcher koalitionsinternen Kabbeleien gab es ein geteiltes Echo. Der Landesschülerrat sprach von einem »Durchbruch« nach vielen »Ab- sichtserklärungen«, hält den Preis für das Azubi-Ticket aber für überzogen: Lehrlinge sollten maximal 20 Euro zahlen, den Rest müssten das Land und die Ausbildungsbetriebe tragen, sagt Sprecher Noah Wehn. Der Handwerkstag sieht ausbildende Betriebe jenseits großer Ballungszentren indes gestärkt. Deren Lehrlinge müssen oft weit zur Berufsschule fahren.
Die Opposition im Landtag ist von der Einigung eher mäßig begeistert. Marco Böhme (LINKE) sagte, die Regierung »schlurft langsam voran«; die Grüne Katja Meier sprach von »halbgaren Lösungen«. Sie vermissen nicht zuletzt konkrete Schritte für generelle Verbesserungen im Nahverkehr. So wird im Freistaat seit langem über einen »Sachsen-Tarif« diskutiert, der das Klein-Klein der Verbundgrenzen überwinden würde. Dazu kündigen Dulig und die Spitzenverbände lediglich »erste Vorbereitungen« an. Ein landesweites Netz von Buslinien, deren Fahrpläne untereinander und mit den Zügen abgestimmt sind, lässt weiter auf sich warten; nur Modellprojekte im Raum Leipzig und in der Region Oberelbe werden fortgesetzt. Und von einem »Sachsentakt«, der alle Verkehrsmittel vernetzen würde, ist überhaupt keine Rede mehr.
Ein Sachsen-Tarif, der das Klein-Klein der fünf Verkehrsverbünde und ihrer Tarife überwände, wird nur »vorbereitet«. Vom »Sachsen-Takt« ist gar keine Rede mehr.