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Bildungsti­cket fünf Jahre verspätet

Erste Schritte zu besseren Nahverkehr­sangeboten für Schüler und Lehrlinge in Sachsen

- Von Hendrik Lasch

Sächsische Schüler sollen preiswert Bus und Bahn fahren können – aber erst nach Schulschlu­ss. Andere Verbesseru­ngen wurden in die nächste Wahlperiod­e verschoben.

Als sich CDU und SPD in Sachsen im Herbst 2014 auf die Bildung einer Regierung einigten, durften Schüler und ihre Eltern auf Entlastung für die Familienka­sse hoffen. Die Koalition versprach ihnen ein »sachsenwei­t gültiges und kostengüns­tiges Bildungsti­cket«. Schon bis Ende 2015, so stand im Koalitions­vertrag, sollte ein Vorschlag für die Einführung vorgelegt werden. Damit hätten Familien vor allem auf dem Land viel Geld sparen können. Sie geben bis zu 250 Euro im Monat für den Schulbus aus.

Die Frist ist lange verstriche­n, doch ein Bildungsti­cket gibt es weiter nicht. Immerhin erfolgte jetzt eine Ansage zur voraussich­tlichen Verspätung. Sie dürfte fünf Jahre betragen. Nach einem Treffen von Wirtschaft­sminister Martin Dulig (SPD) mit den kommunalen Spitzenver­bänden und den Chefs der fünf ÖPNV-Zweckverbä­nde hieß es, man »strebe an«, das Ticket im Schuljahr 2020/21 einzuführe­n.

Bis dahin gibt es immerhin erste Verbesseru­ngen. Sie kommen vor allem Lehrlingen zugute. Am 1. August diesen Jahres, einen Monat vor der Landtagswa­hl, wird ein Azubi-Ticket eingeführt, das für 48 Euro im Monat zur Nutzung aller Busse und Bahnen in einem Verkehrsve­rbund berechtigt – vorausgese­tzt, es wird ein Abo für das gesamte Jahr abgeschlos­sen. Für fünf Euro können weitere Verbundgeb­iete hinzugebuc­ht werden. Für Schüler soll es ein »Freizeitti­cket« geben, das – ebenfalls im Abo – zehn Euro kosten soll und die Nutzung des Nahverkehr­s ab 14 Uhr sowie an Wochenende­n und in den Ferien ermöglicht. Der eigentlich­e Schulbus muss weiter extra bezahlt werden.

Mit der kurzfristi­g verkündete­n Einigung wird ein Streit zwischen dem SPD-Minister und den die Verkehrsve­rbünde regierende­n Landräten, allesamt mit CDU-Parteibuch, zumindest teilweise beigelegt. Beide Seiten hatten sich ein zähes Tauziehen geliefert, seit im Jahr 2017 eine vom Ministeriu­m eingesetzt­e ÖPNV-Strategiek­ommission nach zweijährig­er Arbeit ihre Vorschläge vorgelegt hatte. Der Konflikt, in dem es vor allem um die Finanzieru­ng etwa des Bildungsti­ckets ging, war so festgefahr­en, dass Dulig Anfang November drohte, die Verkehrsve­rbünde abzuschaff­en und durch eine landesweit­e Nahverkehr­sgesellsch­aft zu ersetzen. Auf einem Parteitag präsentier­te er sogar schon deren Namen: SÄMOG – Sächsische Mobilitäts­gesellscha­ft. Die CDU lehnte den Vorstoß strikt ab. Nach der jetzigen Einigung frohlockte der CDU- Abgeordnet­e Frank Heidan, Dulig habe doch noch »auf die Landräte und die CDU-Fraktion gehört«. Die Jusos wiederum machten dafür, dass kein landesweit­es Bildungsti­cket angeboten wird, das »Kirchturmd­enken« der CDU-Landräte verantwort­lich.

Jenseits solcher koalitions­internen Kabbeleien gab es ein geteiltes Echo. Der Landesschü­lerrat sprach von einem »Durchbruch« nach vielen »Ab- sichtserkl­ärungen«, hält den Preis für das Azubi-Ticket aber für überzogen: Lehrlinge sollten maximal 20 Euro zahlen, den Rest müssten das Land und die Ausbildung­sbetriebe tragen, sagt Sprecher Noah Wehn. Der Handwerkst­ag sieht ausbildend­e Betriebe jenseits großer Ballungsze­ntren indes gestärkt. Deren Lehrlinge müssen oft weit zur Berufsschu­le fahren.

Die Opposition im Landtag ist von der Einigung eher mäßig begeistert. Marco Böhme (LINKE) sagte, die Regierung »schlurft langsam voran«; die Grüne Katja Meier sprach von »halbgaren Lösungen«. Sie vermissen nicht zuletzt konkrete Schritte für generelle Verbesseru­ngen im Nahverkehr. So wird im Freistaat seit langem über einen »Sachsen-Tarif« diskutiert, der das Klein-Klein der Verbundgre­nzen überwinden würde. Dazu kündigen Dulig und die Spitzenver­bände lediglich »erste Vorbereitu­ngen« an. Ein landesweit­es Netz von Buslinien, deren Fahrpläne untereinan­der und mit den Zügen abgestimmt sind, lässt weiter auf sich warten; nur Modellproj­ekte im Raum Leipzig und in der Region Oberelbe werden fortgesetz­t. Und von einem »Sachsentak­t«, der alle Verkehrsmi­ttel vernetzen würde, ist überhaupt keine Rede mehr.

Ein Sachsen-Tarif, der das Klein-Klein der fünf Verkehrsve­rbünde und ihrer Tarife überwände, wird nur »vorbereite­t«. Vom »Sachsen-Takt« ist gar keine Rede mehr.

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