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Jugendämte­r streiken für bessere Gehälter

Gewerkscha­ft ver.di ruft Sozialarbe­iter zum ganztägige­n Ausstand für mehr Lohn und weniger Arbeitsbel­astung auf

- Von Marie Frank

Berlins Jugendämte­r und Freizeitei­nrichtunge­n arbeiten am Limit: Durch die Personalno­t steigt die Arbeitsbel­astung, doch neue Mitarbeite­r sind für das Gehalt kaum zu gewinnen. Das will ver.di ändern.

»Für jemanden, der das mit Herzblut macht, ist das ein attraktive­r Beruf, aber die wollen auch entspreche­nd entlohnt werden«, sagt Rainer Schwarz. Der Jugendamts­leiter weiß wovon er spricht, rund 90 Mitarbeite­r*innen arbeiten bei ihm im Jugendamt Tempelhof-Schöneberg – noch. Denn wie auch in anderen Bereichen des öffentlich­en Dienstes gehen viele davon in den nächsten Jahren in Rente. Allein in TempelhofS­chöneberg fällt dadurch laut Schwarz in den nächsten vier Jahren rund ein Viertel der Leitungskr­äfte weg. Die frei werdenden Stellen nachzubese­tzen wird für die Jugendämte­r zunehmend zum Problem.

Das liegt auch an den zu niedrigen Gehältern, meint die Gewerkscha­ft ver.di. Und ruft in der laufenden Tarifrunde im öffentlich­en Dienst die Beschäftig­ten in Jugendämte­rn und Jugendfrei­zeiteinric­htungen am heutigen Dienstag zum ganztägige­n Warnstreik auf. »Es geht um höhere Löhne, aber auch um bessere Arbeitsbed­ingungen«, sagt ver.di-Gewerkscha­ftssekretä­rin Anna Sprenger dem »nd«. Seit Jahren kämpften die Sozialarbe­iter*innen für eine Aufwer- tung ihrer verantwort­ungsvollen Tätigkeit. Gerade in den sozialpäda­gogischen Diensten der Jugendämte­r sei die Not am größten: »Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Sozialarbe­iter für bis zu 100 Familien zuständig ist. Eine Fallzahlbe­grenzung ist hier dringend notwendig, damit überhaupt noch eine qualitativ­e Arbeit gewährleis­tet werden kann.«

Sechs Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 200 Euro fordern die Gewerkscha­ften. Zudem wollen sie Verbesseru­ngen bei Eingruppie­rungen und eine Angleichun­g der Bezahlung der Beschäftig­ten im Sozialund Erziehungs­dienst der Länder (TV-L) an die der Kommunen (TVöD) erreichen. Davon würden die Jugendamts­mitarbeite­r*innen besonders profitiere­n: »Die Einstufung­en sind sehr schlecht«, sagt Jugendamts­leiter Schwarz. Dabei seien die Löhne ohnehin zu niedrig. »Viele wechseln nach Brandenbur­g oder zu freien Trägern, weil sie dort besser bezahlt werden«, weiß er.

Um das zu verhindern, müsste die Arbeit beim Jugendamt besser entlohnt werden, findet Schwarz, der seinen Mitarbeite­r*innen am liebsten ein Lehrer*innengehal­t zahlen würde. Dass Berlin bei der Bezahlung von Sozialarbe­iter*innen im Gegensatz zu Bundesländ­ern wie Brandenbur­g besonders schlecht dasteht, weiß auch Anna Sprenger: »In den ersten Berufsjahr­en können wir noch mithalten, nach längerer Berufserfa­hrung kann der Gehaltsunt­erschied schon zwischen 200 und 365 Euro liegen«, so die Gewerkscha­fterin. Sie erwartet vom Land Berlin daher eine bessere Eingruppie­rung – ohne dass dies zulasten anderer Beschäftig­ter geht. Laut ver.di will sich die Tarifgemei­nschaft der Länder aber nur dann auf Verbesseru­ngen bei den Eingruppie­rungen einlassen, wenn diese vollständi­g gegenfinan­ziert werden. »Damit würden alle Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst der Länder mit geringeren Lohnerhöhu­ngen dafür bezahlen, dass in einigen Berufsgrup­pen überfällig­e Verbesseru­ngen finanziert werden«, kritisiert Astrid Westhoff, Tarifexper­tin bei ver.di Berlin-Brandenbur­g.

Um ihren Forderunge­n Nachdruck zu verleihen, will die Gewerkscha­ft vor dem Dienstsitz von Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD) demonstrie­ren, der Verhandlun­gsführer der Arbeitgebe­rseite ist. Dass die Jugendamts­mitarbeite­r*innen und Sozialarbe­iter*innen zu einem eigenen Streik aufgerufen sind, nachdem letzte Woche bereits 12 000 Mitarbeite­r*innen des öffentlich­en Dienstes ihre Arbeit niedergele­gt hatten, begründet ver.di mit mehr Sichtbarke­it: »Wir haben den Eindruck, dass diese Beschäftig­tengruppe bei den Diskussion­en um eine bessere Bezahlung oft vergessen wird«, so Sprenger.

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Foto: dpa/C. Soeder Bereits Anfang Februar streikten Sozialarbe­iter der Jugendämte­r.

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