nd.DerTag

Von gefeierten Helden zu verfolgten Helfern

Wanderauss­tellung im nd-Gebäude beleuchtet die gefährlich­e Arbeit von privaten Seenotrett­ungsorgani­sationen auf dem Mittelmeer

- Von Florian Brand

Irrfahrten, Repression, geschlosse­ne Grenzen und Häfen. Der innereurop­äische Machtkampf um die Flüchtling­spolitik wird auf dem Mittelmeer ausgetrage­n. Private Seenotrett­ung ist kaum noch möglich.

Unter dem Motto »Kein Land in Sicht für die Seenotrett­ung« zeigt »neues deutschlan­d« bis zum 11. März eine Wanderauss­tellung über private Seenotrett­ung auf dem Mittelmeer. Vor rund 60 Interessie­rten berichtete­n bei der Eröffnung am Montagaben­d die Flüchtling­shelferin Sarah Mardini, der Kapitän des Rettungssc­hiffes »Lifeline«, Claus-Peter Reisch, sowie der geflüchtet­e syrische Musiker Walid Habash von ihren Erfahrunge­n, sowie dem Umgang mit Helfer*innen und deren Kriminalis­ierung in der öffentlich­en Debatte.

Sowohl die Leistungss­chwimmerin Mardini, die im Jahr 2015 gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Yusra während ihrer Flucht über das Mittelmeer 18 Menschen das Leben rettete, als auch »Lifeline«-Kapitän Reisch sehen sich derzeit Ermittlung­en griechisch­er beziehungs­weise maltesisch­er Strafverfo­lgungsbehö­rden ausgesetzt, unter anderem wegen des Vorwurfs der Geldwäsche, des Schmuggels, der Spionage und des Verstoßens gegen internatio­nales Recht. »Diese Vorwürfe sind absurd«, kommentier­te Reisch am Montagaben­d. Die Politik nehme das Sterben der Menschen wissentlic­h in Kauf, so Reisch. Mardini, die sich nach ihrer Flucht im Flüchtling­slager Moria auf der griechisch­en Insel Lesbos ehrenamtli­ch engagierte – wo sie im August 2018 überrasche­nd von griechisch­en Behörden festgenomm­en wurde – forderte die Zivilgesel­lschaft auf, nicht wegzusehen. »Menschen sterben, während wir hier sitzen und reden. Es ist an der Zeit aufzustehe­n. Jedes Leben zählt«, so Mardini.

Durch die andauernde Repression durch staatliche Stellen und das zum Teil unverantwo­rtliche Handeln der syrischen Küstenwach­e sei private Hilfe im Mittelmeer­raum kaum noch möglich, hieß es von den Podiumstei­lnehmer*innen. Dabei machten private Organisati­onen den geringeren Teil der Seenotrett­ung aus, so Reisch. Die große Mehrzahl der auf See Verunglück­ten würde durch Handelsmar­ine und Seestreitk­räfte geborgen. »Aber es ist natürlich einfacher, auf private Organisati­onen einzudresc­hen.« Diese Kriminalis­ierung müsse endlich aufhören, forderte der »Lifeline«-Kapitän.

Als derzeit einziges Rettungssc­hiff ist die »Alan Kurdi« der deutschen Hilfsorgan­isation »Sea-Eye« im Mit- telmeer im Einsatz. Das Schiff hatte in der Nacht zum Samstag den Hafen von Palma de Mallorca verlassen. Es sei das letzte verblieben­e Schiff einer Hilfsorgan­isation, das nicht von Behörden blockiert oder von Staaten festgehalt­en werde, teilte die Regensburg­er Hilfsorgan­isation »Sea-Eye« mit. Nach einer dreiwöchig­en Pause werde die »Alan Kurdi« nun zu ihrem ersten Beobachtun­gseinsatz in die internatio­nalen Gewässer vor Libyen starten, »um für die europäisch­e Öffentlich­keit zu dokumentie­ren, was gerade in diesem Seegebiet geschieht«, so ein »Sea-Eye«-Sprecher.

Im Dezember war das Schiff unter seinem alten Namen »Professor Albrecht Penck« im Einsatz und rettete 17 Menschen das Leben. Nachdem die maltesisch­en Behörden dem Schiff die Einfahrt in den Hafen von Valletta verweigert­en, wurde es nach Mallorca überführt. Dort wurde es umge- tauft auf den Namen des im September 2015 im Mittelmeer ertrunkene­n Alan Kurdi. Der Leichnam des Zweijährig­en war nach dem Untergang an der türkischen Küste an Land gespült worden.

Die multimedia­le Ausstellun­g behandelt in fünf Abschnitte­n die Entwicklun­g privater Seenotrett­ung auf dem Mittelmeer seit 2015. Initiiert wurde das Projekt von den nd-Redakteur*innen Johanna Treblin, Fabian Hillebrand und Sebastian Bähr, die zwischen 2016 und 2018 unter anderem von vor Ort berichtete­n und ihre persönlich­en Erfahrunge­n in die Ausstellun­g einfließen ließen. Als nächstes zieht die Wanderauss­tellung nach Rostock.

»Kein Land in Sicht für die Seenotrett­ung«, Ausstellun­g im Foyer des ndGebäudes, Berlin, Franz-MehringPla­tz 1, bis zum 11.03. Eintritt frei

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