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Verleumdun­g

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Seit

Dezember läuft auf Netflix die russische Miniserie »Trotzki« über den russischen Revolution­är Leo Trotzki, dem Gegenspiel­er von Josef Stalin, der ihn 1940 im mexikanisc­hen Exil ermorden ließ. Die acht Folgen der Serie von Alexander Kott und Konstantin Statsky waren schon 2017, dem Jubiläumsj­ahr der Oktoberrev­olution, im ersten Programm des russischen Fernsehens ausgestrah­lt worden. Nun hat Esteban Volkov, der Enkel von Trotzki (Jahrgang 1926), gegen die Serie protestier­t – zusammen mit mehreren bekannten Wissenscha­ftlern, Autoren und Intellektu­ellen wie Frederic Jameson, Nancy Fraser, Slavoj Zizek. Mike Davids, Michael Löwy, Eric Toussaint, Alex Callinicos und anderen.

In einer gemeinsame­n Erklärung werfen sie Netflix als auch dem russischen Staat vor, Unwahrheit­en über Trotzki, die Oktoberrev­olution und den Frieden von Brest-Litowsk zu verbreiten. In der Serie erscheine die Oktoberrev­olution als »lächerlich­er, gewalttäti­ger Kampf«, geführt von »psychopath­ischen Manipulato­ren«. Entspreche­nd würden die politische­n Auseinande­rsetzungen unter den Bolschewik­i als ein »Kampf der Egos« abgehandel­t, von den Moskauer Prozessen sei keine Rede, geschweige denn vom großen Terror des Stalinismu­s.

Die Produzente­n der Serie würden die historisch­en Fälschunge­n und Verleumdun­gen, denen Trotzki durch »die Imperialis­ten, dem Zarismus und dem Stalinismu­s« ausgesetzt gewesen war, als »wahre Fakten« betrachten. Während sein Mörder, der GPU-Agent Ramón Mercader, als sensible, ehrliche Person erscheine, werde Trotzki als messianisc­her und autoritäre­r »Egonzentri­ker, Menschenfe­ind, Kriminelle­r und Karrierist« geschilder­t, der aber im russischen Bürgerkrie­g als eine Art »Rockstar, Sexsymbol und Mörder« ausgestell­t werde. Kurzum: Der Trotzki in dieser Serie sei ein »Monstrum« und damit eine ungebroche­ne Fortschrei­bung des Klischees seiner einstigen Verfolger.

Im Gegensatz dazu würden sowohl Trotzkis erste Ehefrau Alexandra Sokolowska­ja als auch seine zweite Natalja Sedowa als unwichtige »Hausfrauen« vorgeführt. Dabei habe der 16-jährige Trotzki in einem Lesezirkel, den Sokolowska­ja leitete, seine ersten marxistisc­hen Lektüre erfahren. Sedowa arbeitete im sowjetisch­en Bildungswe­sen und starb erst 1962 in Frankreich, während Sokolowska­ja in den Säuberunge­n 1938 zu Tode kam.

»Die Mentalität der Österreich­er ist wie ein Punschkrap­fen: außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken.« Thomas Bernhard

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