Hilfe, die Erde existiert nicht mehr!
Perry Rhodan hat Geburtstag, und endlich erfährt man, wie er seine irdische Jugend verbrachte
Diesen Monat wurde die 3000. Folge der wöchentlichen Abenteuer des Raumfahrers Perry Rhodan veröffentlicht. Die Heftreihe erscheint ununterbrochen seit 1961.
Wenn Sie nicht alle Hefte gelesen haben sollten: Rhodan war über 1000 Jahre (sic!) am Ruder eines Militärstaates, der immer größere Waffen auf immer bessere Raumschiffe schraubte. Das »Erste Imperium« war ständig im Kampf mit anderen außerirdischen Völkern, Staaten und Welten, was die Rüstungsausgaben derartig ansteigen ließ, dass es zugrunde ging.
Perry Rhodan aus Manchester, Connecticut, ein US-amerikanischer Astronaut mit deutschen Wurzeln, landet 1961, gleich im ersten Heft (»Unternehmen Stardust«), auf dem Mond und findet dort ein fremdes Raumschiff vor. Interessanterweise spielt die Handlung 1971. Von heute aus betrachtet, landete Rhodan also zwei Jahre nach Neil Armstrong auf dem Erdtrabanten. Willkommen im Perryversum!
In dieser Parallelwelt kann man nun auch den 850-Seiten-Roman »Perry Rhodan – Das größte Abenteuer« studieren. Der Verfasser ist Andreas Eschbach, ein Vielschreiber vor dem galaktischen Herrn, aber gleichzeitig auch einer der besseren europäischen Science-Fiction-Autoren. Er klärt nun auf, was vor 1971 geschah – in Perrys Welt.
Im Prinzip ist der Weltenherrscher ein ganz normaler Erdenbürger wie du und ich. So erfährt man etwa alles aus seiner Teenagerzeit und wie er als angehender Raumfahrer die 60er Jahre verpasst (kein Sex!). Später wird er, weil er mit außergewöhnlichen Flugmanövern auf sich aufmerksam machte, als »Supertroupertestpilot« in den Krieg geschickt, den die USA in Vietnam führen. Erst 2040 kann er darüber sprechen, über seine Einsätze gegen das kleine Land, das um seine Freiheit rang. Zwar bombardierte er Brücken, Hafenanlagen, Öltanks und Munitionslager, doch es gab nichts zu beanstanden – auch keine Napalm-Bombardements oder anderen Terrorismus. Stattdessen wird aus einem Brief zitiert, in dem ein vietnamesischer Soldat Perry lobt, da dieser ihn zwar als Geisel nahm, aber am Leben ließ.
Natürlich kommt in dem Roman immer wieder zur Sprache, dass Rhodan ein Alleskönner ist, ein MacGyver, der weniger die Welt als den Weltraum rettet. Nur einmal geht Perry Rhodan aus sich heraus, als er nämlich 1968 Paris besucht und durch das Verhältnis zu einer kiffenden Pariserin in Studentenunruhen gerät. Mit geschultem Blick kann er zunächst die Revolutionäre vor der Polizei warnen und sich aus Kampfhandlungen heraushalten. Doch dann erfährt Rhodan, dass die französische Polizei ein tödliches Nervengift gegen die Demonstranten einsetzen will. Mit Freunden geht er gegen die Staatsmacht vor, zerschneidet deren Schutzanzüge und verprügelt als Höhepunkt den stellvertretenden Polizeipräsidenten.
Am Ende wird alles gut. Der zukünftige Raumfahrer, der Liebling der Lehrer und das Idol seiner Mitschüler, erhält nach vielen Meisterleistungen das GroßadministratorDiplom, das mindestens 1000 Jahre Leben verspricht. Unendliche Weiten und die Unsterblichkeit (durch den Zellaktivator) kommen noch hinzu. Jede Woche bauen 60 000 Leser, zu 80 Prozent Männer, auf diesen Mann. Im Jubiläumsheft »Mythos Erde« müssen sie folgende Neuigkeit verkraften: Der blaue Planet existiert nicht mehr, er wird als eine Erfindung unverbesserlicher Lebewesen abgetan. Rhodan kommt im 6. Jahrtausend von seinen Reisen in die Milchstraße zurück und will neue Leser auf weiteren Erkundungen in eine neue »Welt« mitnehmen.
Ob wir Sterblichen bis zur Folge 6000 schon mit Außerirdischen kommunizieren können, die Erzählungen weiterhin auf Papier erscheinen oder Perry Rhodan in feste weibliche Hände gerät, das kann bislang niemand im »Perryversum« vorhersagen.
Er ist ein Alleskönner, ein MacGyver, der weniger die Welt als den Weltraum rettet.
Andreas Eschbach: Perry Rhodan – das größte Abenteuer, Fischer/Tor, 848 S., geb., 25 €.