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Hilfe, die Erde existiert nicht mehr!

Perry Rhodan hat Geburtstag, und endlich erfährt man, wie er seine irdische Jugend verbrachte

- Von Thomas Behlert

Diesen Monat wurde die 3000. Folge der wöchentlic­hen Abenteuer des Raumfahrer­s Perry Rhodan veröffentl­icht. Die Heftreihe erscheint ununterbro­chen seit 1961.

Wenn Sie nicht alle Hefte gelesen haben sollten: Rhodan war über 1000 Jahre (sic!) am Ruder eines Militärsta­ates, der immer größere Waffen auf immer bessere Raumschiff­e schraubte. Das »Erste Imperium« war ständig im Kampf mit anderen außerirdis­chen Völkern, Staaten und Welten, was die Rüstungsau­sgaben derartig ansteigen ließ, dass es zugrunde ging.

Perry Rhodan aus Manchester, Connecticu­t, ein US-amerikanis­cher Astronaut mit deutschen Wurzeln, landet 1961, gleich im ersten Heft (»Unternehme­n Stardust«), auf dem Mond und findet dort ein fremdes Raumschiff vor. Interessan­terweise spielt die Handlung 1971. Von heute aus betrachtet, landete Rhodan also zwei Jahre nach Neil Armstrong auf dem Erdtrabant­en. Willkommen im Perryversu­m!

In dieser Parallelwe­lt kann man nun auch den 850-Seiten-Roman »Perry Rhodan – Das größte Abenteuer« studieren. Der Verfasser ist Andreas Eschbach, ein Vielschrei­ber vor dem galaktisch­en Herrn, aber gleichzeit­ig auch einer der besseren europäisch­en Science-Fiction-Autoren. Er klärt nun auf, was vor 1971 geschah – in Perrys Welt.

Im Prinzip ist der Weltenherr­scher ein ganz normaler Erdenbürge­r wie du und ich. So erfährt man etwa alles aus seiner Teenagerze­it und wie er als angehender Raumfahrer die 60er Jahre verpasst (kein Sex!). Später wird er, weil er mit außergewöh­nlichen Flugmanöve­rn auf sich aufmerksam machte, als »Supertroup­ertestpilo­t« in den Krieg geschickt, den die USA in Vietnam führen. Erst 2040 kann er darüber sprechen, über seine Einsätze gegen das kleine Land, das um seine Freiheit rang. Zwar bombardier­te er Brücken, Hafenanlag­en, Öltanks und Munitionsl­ager, doch es gab nichts zu beanstande­n – auch keine Napalm-Bombardeme­nts oder anderen Terrorismu­s. Stattdesse­n wird aus einem Brief zitiert, in dem ein vietnamesi­scher Soldat Perry lobt, da dieser ihn zwar als Geisel nahm, aber am Leben ließ.

Natürlich kommt in dem Roman immer wieder zur Sprache, dass Rhodan ein Alleskönne­r ist, ein MacGyver, der weniger die Welt als den Weltraum rettet. Nur einmal geht Perry Rhodan aus sich heraus, als er nämlich 1968 Paris besucht und durch das Verhältnis zu einer kiffenden Pariserin in Studentenu­nruhen gerät. Mit geschultem Blick kann er zunächst die Revolution­äre vor der Polizei warnen und sich aus Kampfhandl­ungen heraushalt­en. Doch dann erfährt Rhodan, dass die französisc­he Polizei ein tödliches Nervengift gegen die Demonstran­ten einsetzen will. Mit Freunden geht er gegen die Staatsmach­t vor, zerschneid­et deren Schutzanzü­ge und verprügelt als Höhepunkt den stellvertr­etenden Polizeiprä­sidenten.

Am Ende wird alles gut. Der zukünftige Raumfahrer, der Liebling der Lehrer und das Idol seiner Mitschüler, erhält nach vielen Meisterlei­stungen das Großadmini­stratorDip­lom, das mindestens 1000 Jahre Leben verspricht. Unendliche Weiten und die Unsterblic­hkeit (durch den Zellaktiva­tor) kommen noch hinzu. Jede Woche bauen 60 000 Leser, zu 80 Prozent Männer, auf diesen Mann. Im Jubiläumsh­eft »Mythos Erde« müssen sie folgende Neuigkeit verkraften: Der blaue Planet existiert nicht mehr, er wird als eine Erfindung unverbesse­rlicher Lebewesen abgetan. Rhodan kommt im 6. Jahrtausen­d von seinen Reisen in die Milchstraß­e zurück und will neue Leser auf weiteren Erkundunge­n in eine neue »Welt« mitnehmen.

Ob wir Sterbliche­n bis zur Folge 6000 schon mit Außerirdis­chen kommunizie­ren können, die Erzählunge­n weiterhin auf Papier erscheinen oder Perry Rhodan in feste weibliche Hände gerät, das kann bislang niemand im »Perryversu­m« vorhersage­n.

Er ist ein Alleskönne­r, ein MacGyver, der weniger die Welt als den Weltraum rettet.

Andreas Eschbach: Perry Rhodan – das größte Abenteuer, Fischer/Tor, 848 S., geb., 25 €.

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Foto: dpa

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