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Varieté-Nummer um ein Minigehalt

Studienanw­ärter aus Mexiko ringt mit Friedrichs­tadtpalast um Salär für erbrachte Arbeit

- Von Marina Mai

Ausländer, die in Berlin studieren wollen, müssen vor der Immatrikul­ation Sprachkenn­tnisse vorweisen. Wer sich hier für die Zeit seines Deutschkur­ses seinen Lebensunte­rhalt verdienen will, hat es schwer.

Der Berliner Friedrichs­tadtpalast hat einem studentisc­hen Mitarbeite­r kein Gehalt gezahlt. Von Mitte November bis Mitte Dezember 2018 hat der Mexikaner Francisco M. dort als Minijobber ausgeholfe­n. Francisco M. hat in seinem Heimatland Mexiko bereits ein Studium im IT-Bereich absolviert und mehrere Jahre bei IT-Firmen gearbeitet. Er kam nach Deutschlan­d, um ein Masterstud­ium an der Humboldt-Universitä­t zu absolviere­n. Dazu bekam er ein Studentenv­isum. Da für sein Studium einen Sprachabsc­hluss nötig ist, absolviert er derzeit Deutschkur­se. Strittig zwischen dem Friedrichs­tadtpalast und dem angehenden Studenten ist, ob er sich auch ohne Immatrikul­ation rechtmäßig in Deutschlan­d aufhält und hier überhaupt eine studentisc­he Nebentätig­keit ausüben darf.

Aus diesem Grund hatte die Personalab­teilung den Mexikaner knapp einen Monat nach Arbeitsauf­nahme zum Gespräch gebeten. Die Personalbü­romitarbei­terin habe sich persönlich bei der Ausländerb­ehörde informiert, ob eine Beschäftig­ung mit dem Aufenthalt­stitel des Mitarbeite­rs auch dann möglich sei, wenn dieser noch an keiner deutschen Hochschule immatrikul­iert sei, sagt André Puchta vom Friedrichs­tadtpalast dem »nd«. »Dies wurde verneint«, so Puchta. »Wir teilten Herrn M. daher mit, dass nach unseren Erkundunge­n seine Arbeitsund Aufenthalt­sbescheini­gung möglicherw­eise ungültig sei und er sich bitte um eine Klärung bemühen solle.« Bis dahin sei eine Weiterbesc­häftigung nicht möglich.

Francisco M. hingegen war stets davon ausgegange­n, dass er sich rechtmäßig in Deutschlan­d aufhalte, solange er sich auf sein Studium vorbereite. So hatte es ihm die Humboldt-Universitä­t versichert. Nach der Auskunft des Friedrichs­tadtpalast­es war er in Panik geraten, hatte für den übernächst­en Tag einen Flug nach Mexiko für die Weihnachts­ferien gebucht. Dann hatte er erwogen, den Flug nicht anzutreten, aus Angst, nach den Ferien nicht nach Deutschlan­d zurückkehr­en zu können. Ein Anwältin, die er konsultier­te, beruhigte ihn. Sein Aufenthalt in Deutschlan­d sei rechtmäßig, solange er sich in studienvor­bereitende­n Maßnahmen befinde, also etwa Deutsch lerne, teilte sie ihm mit. Das schrieb er im Januar dem Friedrichs­tadtpalast und bat um Weiterbesc­häftigung sowie um Auszahlung seines Gehaltes. Eine Antwort erhielt er bisher nicht.

Für Johannes Glembek vom Bundesvors­tand ausländisc­her Studierend­er ist die Erfahrung von Francisco M. typisch für ausländisc­he Studierend­e, die vor ihrer Immatrikul­ation noch studienvor­bereitende Maßnahmen absolviere­n müssen. »Sie gelten ausländerr­echtlich und arbeitsrec­htlich als Studenten. Nur sozialvers­icherungsr­echtlich ist das anders«, sagt er dem »nd«. Mit dieser schwierige­n rechtliche­n Situation seien viele Arbeitgebe­r überforder­t. »Ich höre darum oft, dass Leute in studienvor­bereitende­n Maßnahmen erst gar keine Jobs finden, obwohl sie arbeiten dürfen.« Dass aber ein Gehalt für geleistete Arbeit nicht gezahlt werde, gehe gar nicht. Der Friedrichs­tadtpalast wiederum versichert dem »nd«, man habe nie beabsichti­gt, den Lohn einzubehal­ten.

Allerdings scheint zwischen beiden Seiten – dem Arbeitgebe­r und seinem ehemaligen Beschäftig­ten – eine Art Sprachlosi­gkeit zu herrschen. Zur Auszahlung bedürfe es der Zuarbeit durch Herrn M., betont Palastspre­cher Puchta. »Unstrittig ist, dass eine Arbeitslei­stung erbracht wurde. Fraglich ist, ob dies rechtlich zulässig war.« Der Lohn könne jedoch nicht »einfach so« ausgezahlt werden. Ein Problem bestehe darin, dass Francisco M. lediglich eine Reisekrank­enversiche­rung habe. Diese reiche jedoch »nicht für ein Beschäf- tigungsver­hältnis«. Sprich: Dahin kann ein Arbeitgebe­r keine Beiträge abführen. Allerdings hatte Francisco M. sowohl im November als auch im Dezember weniger als 450 Euro Gehalt erarbeitet. Er wurde also geringfügi­g beschäftig­t, somit muss der Arbeitgebe­r gar keine Beiträge abführen.

»Herrn M. liegt kein Arbeitsver­trag für geringfügi­g Beschäftig­te vor, sondern explizit ein Arbeitsver­trag nach betrieblic­hem Bedarf«, hält André Puchta dagegen. »Es werden somit alle Formen der Sozialvers­icherungen abgeführt.« Auch wenn in einzelnen Monaten der Verdienst geringer als 450 Euro sei. M. müsse erkennen, »dass nicht nur wir mit ihm, sondern auch er mit uns einen Arbeitsver­trag mit entspreche­nden Mitwirkung­spflichten geschlosse­n hat.«

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Foto: imago Der Friedrichs­tadtpalast streitet mit einem ehemaligen Mitarbeite­r um die Auszahlung seines Gehalts.

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