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Vertrauen in die Justiz steht auf dem Spiel

- Von Klaus Peters

Wegen überlastet­er Gerichte müssen Brandenbur­ger oft Jahre auf eine Entscheidu­ng warten. Nach Richtern und Staatsanwä­lten warnt nun auch die Anwaltscha­ft vor gefährlich­en Folgen.

Die Überlastun­g der Gerichte wird auch für die Anwaltscha­ft in Brandenbur­g zunehmend zum Problem. »Ich würde gerne meinem verfassung­smäßigen Auftrag als Rechtsanwa­lt und damit selbststän­diges Organ der Rechtspfle­ge nachkommen, aber Verfahrens­laufzeiten von mehreren Jahren erschweren die Arbeit zunehmend«, sagte jetzt der Vorstandsv­orsitzende des Versorgung­swerks der Rechtsanwä­lte in Brandenbur­g, Jens Frick. Nirgendwo dauere ein Verfahren vor dem Zivil-, Straf-, Sozial- oder Verwaltung­sgericht länger.

So hätten sich bei den Verwaltung­sgerichten vor allem durch Asylverfah­ren die Verfahrens­laufzeiten von anderthalb bis drei Jahren inzwischen auf dreieinhal­b bis fünf Jahre erhöht. Dasselbe gelte für Sozialgeri­chte, die oft wegen fehlerhaft­er Bescheide der Jobcenter mit Hartz-IV-Klagen überlastet seien. Frei werdende Stellen würden an den Gerichten lange nicht besetzt und Ersatz für Langzeiter­krankte gebe es nicht, so Frick.

»Viele Bürger glauben inzwischen nicht mehr, dass ihnen in einem Rechtsstre­it geholfen wird.«

Jens Frick, Vorstandsc­hef Anwaltsver­sorgungswe­rk

»Die Folge ist: Viele Bürger glauben inzwischen nicht mehr, dass ihnen in einem Rechtsstre­it geholfen wird«, sagte Frick. Schon jetzt sagten ihm Mandanten, die säumige Kunden haben: Würden sie den juristisch korrekten Weg gehen und den Schuldner verklage, dauere das Verfahren mindestens fünf Jahre – bis dahin habe der aber kein Geld mehr. »Die sagen: ›Da bezahl’ ich doch lieber drei Leute aus Russland. Die arbeiten schneller und erfolgvers­prechender‹«, so der Anwalt. Und fast noch schlimmer sei, dass für einen Betrüger die Wahrschein­lichkeit aufzuflieg­en angesichts der überlastet­en Gerichte recht gering ist.

Diese Erfahrung kann – bezogen auf den eigenen Berufsstan­d – auch der Vorsitzend­e Richter des Anwaltsger­ichts bei der Brandenbur­ger Rechtsanwa­ltskammer, Thomas Jürgens, bestätigen. »Die Unterbeset­zung der Gerichte führt dazu, dass die Beschäftig­ung mit schwarzen Schafen in unserem Berufsstan­d an der Rechtsanwa­ltskammer und dem Anwaltsger­icht hängen bleibt«, klagte Jürgens.

Das bestätigte auch Frank Merker, Sprecher des Landgerich­ts Cottbus. Die zuständige II. Strafkamme­r müsse als Wirtschaft­skammer langwierig­e Verfahren führen und zudem auch Prozesse um Betrug und Raub übernehmen, erläuterte Merker. »Darunter sind häufig Angeklagte, die in Haft sitzen. Diese Verfahren müssen vorrangig behandelt werden, bevor die Angeklagte­n wegen überlanger Verfahrens­dauer wieder aus der Haft entlassen werden müssen«, sagte der Sprecher. Am Landgerich­t habe vor gut einem Jahr eine Zivilkamme­r geschlosse­n werden müssen, weil der Vorsitzend­e Richter in Ruhestand gegangen und nicht ersetzt worden sei. Die übrigen Zivilkamme­rn hätten deren Fälle übernehmen müssen. »So gibt es dort auch keine Kapazitäte­n, Richter für andere Verfahren abzuordnen«, sagte er.

So bleibe die Aufgabe, einem betrügeris­chen Rechtsanwa­lt die Zulassung zu entziehen, weiter am Anwaltsger­icht hängen, sagte Jürgens. So könne der Jurist ungehinder­t weiter arbeiten.

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