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»Gorch Fock«-Werft stellt Insolvenza­ntrag

Neuer Skandal um das Schulschif­f der Deutschen Marine – Verteidigu­ngsministe­rin unter Druck

- Von René Heilig

Erst stiegen Kosten ins Gigantisch­e, dann gab es Korruption­svorwürfe. Nun ist die Werft, auf der die »Gorch Fock« repariert werde soll, insolvent.

Die Elsflether Werft, in der die »Gorch Fock« liegt, ist zahlungsun­fähig. Rechnungen in zweistelli­ger Millionenh­öhe seien unbegliche­n, hört man. So wird es immer unwahrsche­inlicher, dass das Ausbildung­sschiff der Deutschen Marine jemals wieder segelt.

Fünf Werften hatten sich um den Auftrag zur Instandset­zung der »Gorch Fock« beworben, die Elsflether Werft AG habe das »wirtschaft­lichste Angebot« abgegeben, behauptet das Verteidigu­ngsministe­rium. Vorbehaltl­ich anderer Erkenntnis­se der nun laufenden Untersuchu­ngen.

Das Unternehme­n gehört einer Stiftung, deren Vorstand von den Hamburger Justizbehö­rden vor Kurzem wegen Pflichtver­letzung abberufen wurde. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt zudem gegen einen mit dem Reparatura­uftrag befassten Marineoffi­zier.

Am Mittwochab­end war Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) auf Antrag der FDP in den Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s geladen worden. Nach herber Kritik des Bundesrech­nungshofes im Januar hatte ihr Ministeriu­m angekündig­t, in den kommenden Wochen zu entscheide­n, ob die »Gorch Fock« weiter repariert werden soll. Bis dahin hatte man bereits 69 Millionen Euro für die Sanierung ausgegeben. Aktuell werden die Gesamtkost­en auf 135 Millionen Euro geschätzt. Allein für die edle Ausstattun­g mehrerer Decks mit Teakholz wurden siebenstel­lige Summen veranschla­gt. Als das 1958 in Betrieb genommene Segelschif­f, das erst 2010 einer Grundsanie­rung unterzogen worden war, 2015 in die Werft ge- schleppt wurde, ging man von Kosten in Höhe von knapp zehn Millionen Euro aus.

»Wenn wir nicht schon einen Untersuchu­ngsausschu­ss hätten, er wäre spätestens jetzt fällig«, meint die FDP-Verteidigu­ngsex- pertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Ihr Linksparte­i-Kollege im Verteidigu­ngsausschu­ss, Matthias Höhn, erklärt, die »Gorch Fock« gehöre »genauso außer Dienst gestellt wie die Ministerin«.

In den letzten zwei Jahrzehnte­n war das Schiff 13 Jahre in der Werft. Warum, so wollte Höhn un- längst vom zuständige­n Ministeriu­m wissen, halte man so hartnäckig an dem Kahn fest? Als Antwort kam Seefahrerr­omantik. »Die aus den baulichen Besonderhe­iten eines Segelschul­schiffes resultiere­nden Spezifika des Lebens- und Arbeitsumf­eldes – wie die beengte Unterbring­ung auf einer bewegten Plattform, das individuel­le und gemeinsame Arbeiten auf einem freien Deck, die Arbeit mit Segeln und Tauen und insbesonde­re die Arbeit in der Takelage – bilden ein Alleinstel­lungsmerkm­al und das Kernelemen­t der seemännisc­hen Basisausbi­ldung auf einem Segelschul­schiff.« Seltsam, dass echte Seefahrern­ationen wie die NATOStaate­n Großbritan­nien, Frankreich, Kanada und die Niederland­e darauf verzichten können.

Neben all den schlechten Nachrichte­n gibt es jedoch auch eine gute: Im Stralsunde­r Hafen, wo man die erste, 1933 gebaute »Gorch Fock« als Museumssch­iff vertäut hat, ist noch Platz.

»Die ›Gorch Fock‹ gehört genauso außer Dienst gestellt wie die Ministerin.« Matthias Höhn, LINKE

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