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Mit Büchern wachsen

- Stolz/nd

Zur Eröffnung der Buchmesse wird gegen die Präsenz rechter Verlage demonstrie­rt. Und womit beschäftig­t sich der kriselnde Buchmarkt im Gastland Tschechien?

Am heutigen Mittwochab­end wird im Leipziger Gewandhaus die Buchmesse eröffnet. Sie geht bis Sonntag, erwartet werden mehr als 2500 Aussteller aus rund 50 Nationen und rund 280 000 Besucher. Vor der Eröffnung ruft das Aktionsnet­zwerk »Leipzig liest weltoffen« zum Protest gegen die Präsenz rechter Verlage auf: Auf dem Augustuspl­atz findet um 18 Uhr die Kundgebung »Keinen Regalmeter für Faschismus!« statt und um 18.30 Uhr die Aktion »Büchermeer«.

Während der Messe stehen stehen in der gesamten Stadt rund 3600 Veranstalt­ungen an gut 500 Orten auf dem Programm. Ein Schwerpunk­tthema der Messe bilden die politische­n Umbrüche mit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor 30 Jahren. Das Gastland der Buchmesse ist Tschechien. Es präsentier­en sich 55 Autorinnen und Autoren in mehr als 130 Veranstalt­ungen.

Tschechien­s Literatur allgemein ist stark geprägt vom magischen Realismus, von Kafka einst begründet, in Lateinamer­ika zur Blüte gelangt. Fantastik und Wirklichke­it durchdring­en einander: Mit diesem Trick lassen sich die Nachwehen einer Diktatur beschreibe­n – aber auch die turbulente­n Umbrüche der Gegenwart. Michal Ajvaz ist ein Vertreter dieses Genres.

Andere Autoren verbeißen sich in Tabus der jüngeren Geschichte, sie zerreißen Zerrbilder der Ideologie. Im Zentrum ihrer Recherche stehen die Verbrechen gegen Juden während der deutschen Besatzung und auch die Gewalt gegen Deutsch-Tschechen während deren Vertreibun­g nach Kriegsende im Zuge der Beneš-Dekrete. Diese Literatur »dringe wie ein Dorn in den Körper der jüngsten tschechisc­hen Geschichte ein«, meint Professor Tomáš Kubíček, Direktor der Mährischen Landesbibl­iothek in Brno. Herausrage­nde Autorin jener Richtung ist Kateřina Tučková mit ihrem Roman »Gerta. Das deutsche Mädchen«, eine »deutsch-tschechisc­he Leidensges­chichte als Bestseller« (Deutschlan­dfunk Kultur).

Wie steht’s um den Buchmarkt der Nachbarn? Pro Jahr erscheinen 15 000 Titel. Tendenz: rückläufig. Gut ein Drittel der Publikatio­nen sind Übersetzun­gen, mehr als die Hälfte davon aus dem Englischen. Die fünf größten Verlage produziere­n vierzig Prozent der heimischen Literatur.

Größeren Verlagen geht es nicht gut: Die Zahl der Verlagshäu­ser mit mehr als 100 Titeln pro Jahr hat sich seit 2014 drastisch verringert. Es gibt 520 Buchhandlu­ngen im Land und über 5300 Bibliothek­en. Doch das Lesen wird gefördert – mit langfristi­gen Projekten, Kampagnen und Festivals. Manche dieser Veranstalt­ungen haben sprechende Titel. Etwa: »Das Buch steht dir«, »Wir wachsen mit Büchern«, »Ganz Tschechien liest Kindern vor« oder »Lest ihr, Kinder?« Ein Titel fasziniert: »Der Tag der ungelesene­n Bücher«. Jede Tschech*in habe im Schnitt dreißig nie gelesene Bücher im Schrank. Das behaupten die Gründer der Kampagne. Und sie ermuntern die Leute, just zu diesen Werken zu greifen. Lest!

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