Mutter, Mutter, diskriminiertes Kind
Um Regenbogen- mit Heterofamilien gleichzustellen, hat nach den Grünen nun auch Justizministerin Barley (SPD) einen Vorschlag gemacht
Oppositionsarbeit kann frustrieren. Doch in der Debatte über das Abstammungsrecht scheinen die Grünen der Schrittmacher für die Regierungspolitik zu sein.
Seitensprung oder Polygamie hin oder her, in Hetero-Ehen gilt bisher: Kommt ein Kind auf die Welt, wird durch die sogenannte gesetzliche Fiktion der Ehemann der Mutter automatisch als Vater anerkannt. In Familien mit homosexuellen Eltern ist dies trotz der »Ehe für alle« nicht so. Nach geltendem Recht müssen etwa lesbische Ehefrauen das Kind, das ihre Partnerin ausgetragen hat, erst als Stiefkind adoptieren, um zur Mit- oder auch KoMutter zu werden. Einen Gesetzentwurf, der das erreichen soll, hatte die frauenpolitische Sprecherin der Grü- nen, Ulle Schauws, bereits im vergangenen Sommer vorgelegt. Demnach soll die gesetzliche »Fiktion« auf Ehefrauen übertragen sowie eine Mutterschaftsanerkennung ermöglicht werden. Hauptziel ist, Kinder aus Regenbogenfamilien gegenüber anderen gleichzustellen.
Diese Absicht befand am Montag im Rechtsausschuss des Bundestages eine Mehrheit von Sachverständigen für gut. Die Familienrechtlerin Prof. Dr. Nina Dethloff von der Universität Bonn begrüßte die Vorschläge uneingeschränkt. Die Dringlichkeit der Regelung unterstrich Anne Meier-Credner, Vorstandsmitglied Verein Spenderkinder, anhand eines Beispiels: Verstirbt etwa die Frau, die ein Kind ausgetragen hat, bevor das derzeit nötige und oft langwierige Adoptionsverfahren abgeschlossen ist, hätte ein Kind überhaupt keine Eltern mehr, so die Psychotherapeutin. Mit der Frage nach der Elternschaft einher gehen etwa Ansprüche an Unterhalt oder Erbe.
Obwohl Prof. Dr. Katharina Lugani vom Deutschen Juristinnenbund den Vorstoß »überfällig« nannte, erachtet sie langfristig eine umfassendere Reform des Abstammungsrechts für nötig. Doch decke der Vorschlag der Grünen immerhin den aktuellen Minimalbedarf ab. Auch Prof. Dr. Rolf Jox von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen meinte, dass ein völlig neues System von Rechten und Pflichten gegenüber Kindern geschaffen werden sollte.
Während laut Initiatorin Schauws von der Regelungslücke zu 95 Prozent Frauen betroffen sind, lautete ein Kritikpunkt an ihrem Entwurf, dass es darin »nur um Frauen« gehe – so etwa Markus Buschbaum, der selbst Ko- Vater und Notar im Familienrecht ist. Biologische Väter, die sich bei der Erziehung einbringen wollen, sollten noch stärker berücksichtigt werden.
Dass die Anhörung erst diesen Montag stattfand, ist nach Informationen des »nd« kein Zufall gewesen. Unter Abgeordneten heißt es, der Termin dafür sei hinausgezögert worden. Am Mittwoch hatte auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) einen »Diskussionsteilentwurf« zur Reform des Abstammungsrechts vorgelegt. Dieser ist dem der Grünen recht ähnlich. Zwar hätten die Koalitionspartner diesem offiziell noch nicht zugestimmt, wie ein Sprecher des Ministeriums dem »nd« am Montag mitteilte. Er gehe dennoch davon aus, dass es spätestens bis Jahresende eine Lösung geben werde.
Auf ein gewisses Tempo bei der Beendigung der mühsamen »Stief- kind-Regelung« hofft auch die Sprecherin für Gleichstellungs- und Queerpolitik der LINKEN im Bundestag, Doris Achelwilm. Sie ist erfreut über die Signale, die von den beiden aktuellen Vorstößen ausgingen. »Der Entwurf der Grünen geht weiter als der von Ministerin Barley, da er sich auch mit familiären Bezugspersonen beschäftigt, die nicht die Ehe eingehen wollen«, so Achelwilm. Was jedoch beiden Entwürfen fehle, sei das vom Bundesverfassungsgericht im Oktober 2017 festgestellte Grundrecht auf eine positive und der Selbstbezeichnung nicht zuwiderlaufende Benennung des Geschlechts. Transmänner, die ein Kind gebären können, wollen nicht automatisch als »Mutter« bezeichnet werden. Diese Kritik äußerten auch bei der Anhörung anwesende Transmänner gegenüber »nd«.