Salafisten-Takeover
IS-Symbolik auf Rapveranstaltung
Seelenruhig spaziert ein leger gekleideter junger Mann am 8. Februar dieses Jahres auf die Bühne der Battle-Rap-Veranstaltung »TopTierTakeover« in Frankfurt. In seiner Hand eine Spiegelreflexkamera. Er wirkt locker und entspannt, hält sich im Hintergrund der Bühne – auf der sich gerade zwei Battle-Rapper im sportlichen Wettstreit gegenseitig verbal zerlegen – macht Fotos von den Anwesenden und verschwindet ebenso schnell, wie er aufgetaucht ist. Das entscheidende Detail an dieser eigentlich gewöhnlichen Szene ist jedoch das T-Shirt des jungen Mannes, das unter seiner offenen Kapuzenjacke hervorsticht. Es ist ein Abbild der Flagge des selbst ernannten »Islamischen Staates«: ein schwarzes Banner mit weißem Kreis im Zentrum und dem Glaubensbekenntnis des Islam in arabischer Schrift. Niemand der Anwesenden scheint Anstoß an dem nur wenige Sekunden dauernden Auftritt des Unbekannten zu nehmen – womöglich auch deshalb, weil die zwei Rapper im Vordergrund sich zur selben Zeit gegenseitig mit heftigsten Schimpfwörtern überziehen.
Als Erster aufgegriffen hatte diesen Vorfall der Journalist Hubertus »Hubi« Koch auf seinem Youtube-Kanal »Einigkeit & Rap & Freiheit«. Darin verurteilte er die Aktion scharf und forderte eine Stellungnahme der Veranstalter*innen. Hier sei eine rote Linie überschritten worden, die Konsequenzen fordere, so Koch. Das Beispiel des zum Salafismus konvertierten – und später für den IS kämpfenden – Berliner Rappers Deso Dogg habe gezeigt, »dass der Übertritt aus einer migranten- und unterschichtsgeprägten Rapszene in den Islamischen Staat, bis nach Syrien zum Köpfen, gemacht werden kann und schon gemacht wurde«.
Als Reaktion darauf distanzierten sich die Veranstalter tags darauf in einem knappen Statement (ebenfalls via Youtube) von diesem Vorfall und erklärten, bei dem Betroffenen handele es sich um einen externen Kameramann, der nicht zum Team der Veranstaltung gehöre. »Leider ist uns ein grober Fehler unterlaufen«, heißt es. Auf der Veranstaltung sei eine Symbolik zur Schau gestellt worden, die »nicht mit unserer Wertevorstellung vereinbar« sei. Man werde aus dem Vorfall Konsequenzen ziehen und künftig wachsamer sein. Darüber hinaus werde Anzeige erstattet.
Der Auftritt des augenscheinlichen IS-Sympathisanten hat dennoch symbolische Strahlkraft, denn »TopTierTakeover« ist indirekt der Nachfolger eines anderen Rapformates (»Rap am Mittwoch«), welches vom einstigen Gründer und Host der Show, Ben Salomo, im April vergangenen Jahres zu Grabe getragen wurde, mit der Begründung, er habe »eine große Menge an realem Antisemitismus, Rassismus, Homophobie und Frauenverachtung« beobachtet und erfahren.
Dass es im Battle-Rap nicht gerade zimperlich zugeht, ist kein Geheimnis. Salomo – selbst aufgewachsen in Berlin und bekennender Jude mit israelischen Wurzeln – hatte während seiner aktiven Zeit als Moderator von Rap am Mittwoch stets die Devise vertreten »Alles muss erlaubt sein« – folglich also auch Textzeilen, die in jede Richtung schießen. Die Erfahrungen, die Salomo aber nach eigener Aussage abseits der Bühne sammelte, hätten nichts mehr mit einer kreativen Auseinandersetzung zu tun gehabt, sondern seien Antisemitismus und Hass in Reinform gewesen.
Dass sich also ein Sympathisant einer Terrorarmee mit eindeutiger Symbolik auf eine Bühne einer sonst eher linksangehauchten Jugend- und Subkultur traut und ungehindert Präsenz demonstrieren kann, ist daher äußerst beunruhigend. Wenngleich auch nur für wenige Sekunden, im Vergleich zur Länge der Veranstaltung.