nd.DerTag

Reptiloide, Mondnazis und die Hohlwelt

»Iron Sky: The Coming Race« verspielt die politische Möglichkei­t zerstörend­en Lachens

- Von Benjamin Moldenhaue­r

Vorneweg die Konsumente­ninformati­on: Der zweite Teil des »Iron Sky«-Franchise, »The Coming Race«, ist wieder nicht gut. Bereits der erste hatte das Problem, dass aus der einen einsamen Idee, auf der er fußt, nicht wirklich etwas entwickelt wird. Das Konstrukti­onsprinzip: Man nimmt eine Verschwöru­ngstheorie aus dem maximal abstrusen Segment des Spektrums (Reichsflug­scheiben, Neuschwabe­nland, Nazis auf dem Mond, gibt es alles im Internet), pappt ordentlich Filmzitate drauf und tut so, als wäre das ein Plot. Wer keinen Spaß an launigen Filmverwei­sen, fahlem Antiamerik­anismus und lustigen deutschen Wörtern – Sauerkraut! – hat, hatte man mit »Iron Sky« keine Freude.

»The Coming Race« bleibt da in der Spur. Nach dem Erfolg des ersten Teils ist das Sequel opulenter ausgefalle­n. Die forcierte Trash-Ästhetik ist Bildern gewichen, die erkennbar mehr gekostet haben. Auch die Weltkonstr­uktion ist aufwendige­r gestaltet: Die Mondnazi-Idee wird kombiniert mit der HohlweltTh­eorie und Reptiloide­n-Wahn. Hitler (die einzige Freude in diesem Film: Udo Kier), Margaret Thatcher, Steve Jobs und Mark Zuckerberg – es ist diesem Film vielleicht wirklich alles eins – sind Außerirdis­che und hocken im Innern der Erde. Weil man die 90 Minuten mit dem Reptiloide­n-Plot und ordentlich Krachbumm dann doch nicht gut rumbekommt, gibt es ein gutes Dutzend Witze, die im Wesentlich­en darauf basieren, dass Apple Züge eines religiösen Kultes trägt. Spätestens beim dritten mauen Scherz über iPhones weiß der Zuschauer, dass das alles sehr, sehr zäh werden wird.

Aufschluss­reich ist »Iron Sky: The Coming Race« trotzdem, schon weil im Kino ja alles irgendwie aufschluss­reich ist, wenn man sich nur ein biss- chen Mühe gibt. Über Nazis lachen, das wurde einst mit großem Ernst diskutiert. Anhand von Roberto Benignis »Das Leben ist schön« wurde 1999 abgewogen – geht die Komik einher mit einer Banalisier­ung, dient das Publikumsl­achen der Selbstberu­higung? Gehard Scheit sah damals das reale Grauen in der Rührung angesichts des Heldenopfe­rs verschwind­en: »Er stirbt, damit die andern leben, damit es den andern gut geht, damit das Leben schön ist«.

Die Kluft zwischen realem Grauen und harmlos anmutenden Filmbild war seit jeher Gegenstand der Kritik; Adorno sah in der Szene im »Großen Diktator«, in der »ein jüdisches Mädchen SA-Männern der Reihe nach eine Pfanne auf den Kopf haut, ohne dass es in Stücke zerrissen würde«, einen Frevel. Dass er die Wirklichke­it des NS verfehle, wurde noch Dani Levys »Mein Führer« vorgeworfe­n.

»Das Leben ist schön« meinte noch, dem Publikum etwas über den Nationalso­zialismus mitzuteile­n, der Film bezog sich auf eine historisch­e Wirklichke­it. Das ist die Voraussetz­ung der Kritik und ihr Anlass. Im Falle von »Iron Sky: The Coming Race« würde sie ins Leere gehen. Die Nazifigure­n sind hier nur gleicherma­ßen entleerte wie möglichst reizintens­ive Zeichen; Hitler reitet meme-tauglich auf einem Tyrannosau­rus Rex, solche Sachen. Die Tradition lustiger Nazi-Exploitati­on, in die »Iron Sky: The Coming Race« sich stellt, reicht mindestens zurück bis zu Russ Meyers »Up!« (1976), geht über Jörg Buttgereit­s »Blutige Exzesse im Führerbunk­er« (1982) bis hin zu Edeltrash wie den beiden »Dead Snow«-Filme (2009 und 2014). Diese Filme waren vor allem dann gut, wenn sie das Charisma zerkloppte­n, das die Nazis im Genrekino viel zu oft zugesproch­en be- kommen. Dann war die Entleerung potenziell eine Erleichter­ung vom weihevolle­n Nazikitsch, den auch gut gemeinte Filme transporti­erten – und in dieser Hinsicht verbunden mit der Welt jenseits der Leinwand.

Im »Iron Sky«-Franchise aber sind die Signifikat­e sozusagen vollständi­g aus der Gleichung genommen. Zugunsten von Signifikan­ten, die eigentlich keine sind, weil sie nicht mehr sein wollen als Signale, um das Publikum zum großen Hehehe aufzurufen. Die Nazi-Uniform als Äquivalent zu einem müden Karnevalst­usch. Damit geht aber auch die Möglichkei­t eines Charisma zerstörend­en Lachens über Bord. Es bleibt ein Film, den man ohne Mühe komplett vergessen kann.

»Iron Sky: The Coming Race«, Finnland/BRD/Belgien 2019. Regie: Timo Vuorensola; Darsteller: Lara Rossi, Vladimir Burlakov. 130 Min. Start: 21.3.

 ?? Foto: Tomi Tuuliranta ?? Wieder nicht gut: Außer Udo Kier hat das »Iron Sky«-Franchise wenig zu bieten.
Foto: Tomi Tuuliranta Wieder nicht gut: Außer Udo Kier hat das »Iron Sky«-Franchise wenig zu bieten.

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