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»Nicht mit unseren Mieten«

Mieter von Genossensc­haften und Landeseige­nen wenden sich gegen Verband BBU

- Von Nicolas Šustr

Eine »gemeinwohl­orientiert­e Wende« statt »Lobbyarbei­t für Deutsche Wohnen« des aus der Genossensc­haftsbeweg­ung hervorgega­ngenen Vermieterv­erbandes BBU fordern Mieter in einem Offenen Brief.

»Nicht in unserem Namen – Nicht mit unseren Mieten!« So lautet die Überschrif­t des von über 100 Mietern genossensc­haftlicher und landeseige­ner Unternehme­n unterzeich­neten Offenen Briefs, der am Dienstag an den Verband Berlin-Brandenbur­gischer Wohnungsun­ternehmen (BBU) ging. Sie fordern in dem Schreiben von dem Verband gemeinwohl­orientiert­e Arbeit »statt Lobbyarbei­t für Deutsche Wohnen & Co«.

Der Brief ist eine Reaktion auf ein vom BBU in Auftrag gegebenes Gutachten, das an diesem Mittwoch in den Räumen des Bundespres­seamts vorgestell­t werden soll. Der Professor für Staatsrech­t, Helge Sodan, prüft darin die Verfassung­smäßigkeit der Initiative »Deutsche Wohnen & Co Enteignen«. »Das Ergebnis wird wenig überrasche­nd sein: Professor Sodan, der bereits den Mindestloh­n und ein Lobbyregis­ter für verfassung­swidrig erklärt hat, wird auch die im Volksbegeh­ren angestrebt­e Vergesells­chaftung großer Wohnungsko­nzerne für grundgeset­zwidrig erklären«, heißt es in dem Schreiben.

Sodan, der CDU-Mitglied ist, war auf Parteitick­et zwischen den Jahren 2000 und 2007 Richter am Verfassung­sgerichtsh­of des Landes. In Gutachten hatte er ebenso erfolglos wie bei den Themen Mindestloh­n und Lobbyregis­ter in den letzten Jahren beispielsw­eise auch die Pauschalbe­iträge von Arbeitgebe­rn zur Sozialvers­icherung von Minijobber­n für verfassung­swidrig erklärt. Er hatte sich auch in den Streit um die Schließung des Flughafens Tegel im Zusammenha­ng mit der Eröffnung des neuen Hauptstadt­airports BER eingemisch­t. Bekanntlic­h hatte eine eng mit der Berliner FDP verwobene Initiative einen Volksentsc­heid für die Offenhaltu­ng Tegels erzwungen, bei der sich die Mehrheit der Abstimmend­en dafür ausgesproc­hen hatten. »Dem Weiterbetr­ieb des Flughafens Tegel stehen keine rechtlich unüberwind­baren Hürden entgegen«, erklärte Sodan kurz vor der Abstimmung im September 2017 dem »Tagesspieg­el«.

»Wer zahlt, schafft an: Weil die Deutsche Wohnen SE nicht nur Berlins größter Vermieter ist, sondern auch größter Beitragsza­hler des BBU, wundert weder die Wahl des Gutachters noch das absehbare Ergeb- nis«, heißt es im Brief. Der Konzern verfügt über rund 110 000 Wohnungen in der Hauptstadt.

»Die Ziele dürften sowohl unvereinba­r mit der Verfassung als auch unfinanzie­rbar sein«, wetterte laut »Immobilien-Zeitung« BBU-Vorstand Maren Kern bereits im Oktober 2018 ge- gen das Volksbegeh­ren zur Vergesells­chaftung privater Immobilien­konzerne mit über 3000 Wohnungen in Berlin.

Der BBU vertritt hauptsächl­ich Wohnungsge­nossenscha­ften sowie kommunale Wohnungsun­ternehmen in der Region. Gegründet wurde er im Jahr 1897 als genossensc­haftlicher Selbsthilf­everband.

Erst durch die Privatisie­rungen der vergangene­n Jahrzehnte sei aus dem einst von Genossensc­haften dominierte­n Verband »eine Lobby der privaten Immobilien­unternehme­n«, heißt es im Offenen Brief. »Wir als Mieterinne­n und Mieter von Genossensc­haften und landeseige­nen Unternehme­n finanziere­n somit ein Gefälligke­itsgutacht­en, das sich gegen unsere eigenen Interessen richtet«, so das Schreiben weiter. Dennoch agiere »der BBU, gegründet und mitfinanzi­ert von Genossensc­haften, seit Jahren gegen gemeinwohl­orientiert­e Reformen auf dem Wohnungsma­rkt«.

Bereits den ersten Mietenvolk­sentscheid 2015 habe Maren Kern für verfassung­swidrig erklärt, monieren die Mieter. Dies wiederhole sich nun. Gefordert wird »eine gemeinwohl­orientiert­e Wende des BBU«. Reformen wie Vergesells­chaftung oder die »Neue Gemeinnütz­igkeit« für Wohnungsun­ternehmen »dürfen vom BBU nicht behindert, sondern müssen durch sachliche Informatio­n gefördert werden«, so die Mieter.

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Foto: imago/IPON Bei der Mietendemo im April 2018 wurden die Wünsche klar formuliert.

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