Politikerinnen einst und heute
Potsdam erinnert an seine ersten weiblichen Stadtverordneten im Jahr 1919
Der Frauenanteil im Potsdamer Stadtparlament beträgt aktuell nur 37 Prozent, doch die LINKE und die Grünen geben mit einer 57-Prozent-Quote ein gutes Beispiel.
Eine demokratische Gesellschaft und konkret eine lebenswerte Stadt Potsdam könne »auf die Sichtweisen, Kompetenzen und Erfahrungen von Frauen nicht verzichten«, meint Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). »Das Ziel muss Parität sein – Parität überall, ob in der Politik, in der Wirtschaft, in der Verwaltung und auch in der Wissenschaft.«
Die Hälfte der Macht gebührt den Frauen, doch sie gehört ihnen nicht. 1993 betrug der Frauenanteil im Stadtparlament noch 44 Prozent. Mittlerweile liegt er nur noch bei 37 Prozent. Von den 15 Sozialdemokraten im Stadtparlament sind nur vier Frauen. In der vier Köpfe zählenden linksalternativen Fraktion »Die Andere« ist aktuell eine Frau dabei. Die CDU-Fraktion besteht komplett aus Männern.
In der Linksfraktion beträgt der Frauenanteil dagegen 57 Prozent. Genauso hoch ist er bei den Grünen. Zu den Fraktionen FDP/Bürgerbündnis und AfD gehören immerhin jeweils genauso viele Männer wie Frauen. Bei der AfD entstand das für diese Partei unüblich günstige Verhältnis dadurch, dass ein Mann zur CDU wechselte und die AfD-Fraktion seitdem aus einem Mann und einer Frau besteht. Insgesamt sitzen 21 Frauen im Stadtparlament und 35 Männer.
Ob sich das Verhältnis nach der Kommunalwahl am 26. Mai verbessert, lässt sich vorher nicht abschätzen. Denn die Bürger dürfen ihre drei Stimmen auf bis zu drei Kandidaten ihrer Wahl aufteilen. Gewählt von einer Liste sind jeweils die Bewerber mit den meisten Stimmen. Der spätere Frauenanteil im Parlament lässt sich also nur indirekt beeinflussen.
»Wenn man möchte, dass viele Frauen gewählt werden, dann muss man viele Frauen nominieren«, sagt der LINKE-Kreisvorsitzende Stefan Wollenberg. Seine Partei hat das wieder getan. Ihre Listen für die sechs Potsdamer Wahlkreise sind streng quotiert. Jeder zweite Platz ist für eine Frau reserviert gewesen. Erst wenn sich für hintere Plätze keine Frau mehr meldete, sind dann noch einmal ausschließlich Männer aufgestellt worden. So finden sich am Ende unter den 72 Kandidaten der Linkspartei für die Potsdamer Kommunalwahl 29 Frauen. Mit dabei sind die Landesvorsitzende Anja Mayer und die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré sowie die Stadtverordneten Kati Biesecke, Karin Schröter und Jana Schulze, Birgit Müller und Sigrid Müller. Die treten alle erneut an.
Die ersten Frauen waren nach der Kommunalwahl am 2. März 1919 in die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung eingezogen. Es waren: Berta Beyertt (SPD) Mathilde Lange (USPD), Elisabeth Hoffmann (Nationalliberale Volkspartei). Elisabeth Holmgren (Deutschnationale Volkspartei) sowie Helene Krohn und Martha Schulz (Deutsche Demokratische Partei).
»Über unsere ersten weiblichen Potsdamer Stadtverordneten ist leider nur wenig bekannt«, bedauert Oberbürgermeister Schubert. »Damit teilen sie das Schicksal vieler mutiger und engagierter Frauen in unserer Geschichte.«
Am 18. März 1919 war das Stadtparlament zusammengetreten – und genau 100 Jahre danach erinnerten daran am Montagabend Oberbürgermeister Schubert und die Stadtparlamentsvorsitzende Birgit Müller (LINKE) bei einem Festakt im Museum Barberini. Schubert verwies bei dieser Gelegenheit darauf, dass Frauen in der Nazizeit auf eine Rolle als Mutter und Ehefrau reduziert werden sollten. Er sagte: »Nur eine Gesellschaft, die die Gleichberechtigung von Männern und Frauen lebt, kann eine gerechte Gesellschaft sein. Und deshalb steht es uns gut zu Gesicht, unseren Wahlrechtskämpferinnen und Politikerinnen der ersten Stunde ein ehrendes Gedenken zu bewahren.« Mehr als den Namen und die Partei weiß man über die späteren SPD-Kommunalpolitikerinnen Pauline Wuttke (1880-1950) und Anna Flügge (1885-1968). Sie saßen von Ende der 1920er Jahre bis 1933 im Parlament. Flügge wurde nach dem Attentat auf Hitler 1944 verhaftet und saß einige Tage im KZ Ravensbrück. 1946 machte sie die Vereinigung von SPD und KPD zur SED mit.
Mitglied der SED war auch die einzige Frau, die jemals Rathauschefin in Potsdam gewesen ist – Brunhilde Hanke. Sie war von 1961 bis 1984 Oberbürgermeisterin. Zweite Oberbürgermeisterin hätte Martina Trauth (LINKE) werden können. Sie hatte es bei der Oberbürgermeisterwahl im vergangenen Jahr immerhin in die Stichwahl gegen Mike Schubert (SPD) geschafft, dann aber mit 44,7 zu 55,3 Prozent der Stimmen den Kürzeren gezogen.
Für die Kommunalwahl am 26. Mai 2019 hat sich die LINKE vorgenommen, ihren Titel als stärkste Kraft in Potsdam zu verteidigen. Zwar hat die SPD im Moment 15 Sitze und die LINKE nur 14. Das kommt aber nur deswegen, weil zwei Stadtverordnete anderer Fraktionen zur SPD gewechselt sind. Die Kommunalwahl am 25. Mai 2014 hatte die LINKE in Potsdam gewonnen – mit Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg und seinen Männern und Frauen.