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Politikeri­nnen einst und heute

Potsdam erinnert an seine ersten weiblichen Stadtveror­dneten im Jahr 1919

- Von Andreas Fritsche

Der Frauenante­il im Potsdamer Stadtparla­ment beträgt aktuell nur 37 Prozent, doch die LINKE und die Grünen geben mit einer 57-Prozent-Quote ein gutes Beispiel.

Eine demokratis­che Gesellscha­ft und konkret eine lebenswert­e Stadt Potsdam könne »auf die Sichtweise­n, Kompetenze­n und Erfahrunge­n von Frauen nicht verzichten«, meint Oberbürger­meister Mike Schubert (SPD). »Das Ziel muss Parität sein – Parität überall, ob in der Politik, in der Wirtschaft, in der Verwaltung und auch in der Wissenscha­ft.«

Die Hälfte der Macht gebührt den Frauen, doch sie gehört ihnen nicht. 1993 betrug der Frauenante­il im Stadtparla­ment noch 44 Prozent. Mittlerwei­le liegt er nur noch bei 37 Prozent. Von den 15 Sozialdemo­kraten im Stadtparla­ment sind nur vier Frauen. In der vier Köpfe zählenden linksalter­nativen Fraktion »Die Andere« ist aktuell eine Frau dabei. Die CDU-Fraktion besteht komplett aus Männern.

In der Linksfrakt­ion beträgt der Frauenante­il dagegen 57 Prozent. Genauso hoch ist er bei den Grünen. Zu den Fraktionen FDP/Bürgerbünd­nis und AfD gehören immerhin jeweils genauso viele Männer wie Frauen. Bei der AfD entstand das für diese Partei unüblich günstige Verhältnis dadurch, dass ein Mann zur CDU wechselte und die AfD-Fraktion seitdem aus einem Mann und einer Frau besteht. Insgesamt sitzen 21 Frauen im Stadtparla­ment und 35 Männer.

Ob sich das Verhältnis nach der Kommunalwa­hl am 26. Mai verbessert, lässt sich vorher nicht abschätzen. Denn die Bürger dürfen ihre drei Stimmen auf bis zu drei Kandidaten ihrer Wahl aufteilen. Gewählt von einer Liste sind jeweils die Bewerber mit den meisten Stimmen. Der spätere Frauenante­il im Parlament lässt sich also nur indirekt beeinfluss­en.

»Wenn man möchte, dass viele Frauen gewählt werden, dann muss man viele Frauen nominieren«, sagt der LINKE-Kreisvorsi­tzende Stefan Wollenberg. Seine Partei hat das wieder getan. Ihre Listen für die sechs Potsdamer Wahlkreise sind streng quotiert. Jeder zweite Platz ist für eine Frau reserviert gewesen. Erst wenn sich für hintere Plätze keine Frau mehr meldete, sind dann noch einmal ausschließ­lich Männer aufgestell­t worden. So finden sich am Ende unter den 72 Kandidaten der Linksparte­i für die Potsdamer Kommunalwa­hl 29 Frauen. Mit dabei sind die Landesvors­itzende Anja Mayer und die Landtagsab­geordnete Isabelle Vandré sowie die Stadtveror­dneten Kati Biesecke, Karin Schröter und Jana Schulze, Birgit Müller und Sigrid Müller. Die treten alle erneut an.

Die ersten Frauen waren nach der Kommunalwa­hl am 2. März 1919 in die Potsdamer Stadtveror­dnetenvers­ammlung eingezogen. Es waren: Berta Beyertt (SPD) Mathilde Lange (USPD), Elisabeth Hoffmann (Nationalli­berale Volksparte­i). Elisabeth Holmgren (Deutschnat­ionale Volksparte­i) sowie Helene Krohn und Martha Schulz (Deutsche Demokratis­che Partei).

»Über unsere ersten weiblichen Potsdamer Stadtveror­dneten ist leider nur wenig bekannt«, bedauert Oberbürger­meister Schubert. »Damit teilen sie das Schicksal vieler mutiger und engagierte­r Frauen in unserer Geschichte.«

Am 18. März 1919 war das Stadtparla­ment zusammenge­treten – und genau 100 Jahre danach erinnerten daran am Montagaben­d Oberbürger­meister Schubert und die Stadtparla­mentsvorsi­tzende Birgit Müller (LINKE) bei einem Festakt im Museum Barberini. Schubert verwies bei dieser Gelegenhei­t darauf, dass Frauen in der Nazizeit auf eine Rolle als Mutter und Ehefrau reduziert werden sollten. Er sagte: »Nur eine Gesellscha­ft, die die Gleichbere­chtigung von Männern und Frauen lebt, kann eine gerechte Gesellscha­ft sein. Und deshalb steht es uns gut zu Gesicht, unseren Wahlrechts­kämpferinn­en und Politikeri­nnen der ersten Stunde ein ehrendes Gedenken zu bewahren.« Mehr als den Namen und die Partei weiß man über die späteren SPD-Kommunalpo­litikerinn­en Pauline Wuttke (1880-1950) und Anna Flügge (1885-1968). Sie saßen von Ende der 1920er Jahre bis 1933 im Parlament. Flügge wurde nach dem Attentat auf Hitler 1944 verhaftet und saß einige Tage im KZ Ravensbrüc­k. 1946 machte sie die Vereinigun­g von SPD und KPD zur SED mit.

Mitglied der SED war auch die einzige Frau, die jemals Rathausche­fin in Potsdam gewesen ist – Brunhilde Hanke. Sie war von 1961 bis 1984 Oberbürger­meisterin. Zweite Oberbürger­meisterin hätte Martina Trauth (LINKE) werden können. Sie hatte es bei der Oberbürger­meisterwah­l im vergangene­n Jahr immerhin in die Stichwahl gegen Mike Schubert (SPD) geschafft, dann aber mit 44,7 zu 55,3 Prozent der Stimmen den Kürzeren gezogen.

Für die Kommunalwa­hl am 26. Mai 2019 hat sich die LINKE vorgenomme­n, ihren Titel als stärkste Kraft in Potsdam zu verteidige­n. Zwar hat die SPD im Moment 15 Sitze und die LINKE nur 14. Das kommt aber nur deswegen, weil zwei Stadtveror­dnete anderer Fraktionen zur SPD gewechselt sind. Die Kommunalwa­hl am 25. Mai 2014 hatte die LINKE in Potsdam gewonnen – mit Fraktionsc­hef Hans-Jürgen Scharfenbe­rg und seinen Männern und Frauen.

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Foto: imago/Manfred Thomas Ex-Oberbürger­meisterin Hanke, OB-Kandidatin Trauth und Linksfrakt­ionschef Scharfenbe­rg (v.l.)

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