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Ein Obdach suchender Landesrech­nungshof

Behörde muss aus dem Landtag ausziehen und noch hat sich kein neues Domizil gefunden

- Von Wilfried Neiße

Es gab zwar die Idee, den Landesrech­nungshof nach Cottbus zu verlegen. Doch Potsdam ist als Standort gesetzlich vorgeschri­eben.

Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass nach der Landtagswa­hl am 1. September sieben verschiede­ne Fraktionen im Parlament sitzen. Wie sich ein Parlament aufblähen kann, zeigt das Beispiel Bundestag. Im Bundestag sollen eigentlich nur 500 Abgeordnet­e sitzen, tatsächlic­h sind es wegen der Überhang- und Ausgleichs­mandate 709. Die Zahl der Landtagssi­tze in Brandenbur­g könnte von heute 88 auf 110 anwachsen. Alle müssten irgendwie unterkomme­n. In Vorbereitu­ng einer solchen Situation wird es für das Landtagssc­hloss am Alten Markt in Potsdam nun ernst und vor allem wird es absehbar eng. Der Landesrech­nungshof soll deswegen ausziehen, weiß aber noch nicht genau, wohin.

Der Landtag war ursprüngli­ch so projektier­t, dass bei einer Länderfusi­on mit Berlin auch die Abgeordnet­en aus der Hauptstadt mit hineinpass­en. Da aus einer Länderehe aber nichts wurde, zog vor fünf Jahren der Landesrech­nungshof mit in das Gebäude ein, dessen Fassade dem früheren Stadtschlo­ss nachempfun­den ist. Dabei war klar, dass dies nur eine provisoris­che Lösung sein konnte. Dennoch wurde keine Vorsorge getroffen. Wie am Dienstag bekannt wurde, ist die Politik auf Zufallsang­ebote angewiesen.

Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs teilte mit, dass sich »kurzfristi­g die Möglichkei­t aufgetan« habe, den Rechnungsh­of an den Stadtrand zu verlegen, dort den Gebäudekom­plex »Rote Kasernen« zu nutzen.

Dieser einstige Militärsta­ndort wurde bereits von den kaiserlich­en Truppen, später von der Reichswehr und dann von der faschistis­chen Wehrmacht genutzt und beherbergt­e nach dem Zweiten Weltkrieg ein Panzerregi­ment der sowjetisch­en Streitkräf­te.

Nach langem Dornrösche­nschlaf wurde der Komplex ein Objekt für Investoren, die laut Christoffe­rs eine »qualitativ hochwertig­e Unterbring­ung des Landesrech­nungshofs gestatten« würden. Weshalb das Land nun quasi jeden Strohhalm ergreifen müsse, obwohl es lange vorher von dem notwendige­n Auszug aus dem Landtag wusste? Christoffe­rs begründete das am Dienstag mit der insgesamt schwierige­n Lage am Potsdamer Immobilien­markt. Er gehe aber davon aus, dass diese kurzfristi­ge Lösung eine »langfristi­ge Unterbrin- gung« gestatte. Mit Umzügen hat der Rechnungsh­of Erfahrung. 20 Jahre lang saß er mit 120 Mitarbeite­rn in einem Haus an der Dortustraß­e im Zentrum Potsdams. Doch vor fünf Jahren machte der Bundesrech­nungshof ältere Rechte geltend, zog mit einer Außenstell­e dort ein und warf den Landesrech­nungshof gleichsam hinaus. Glückliche­rweise bot sich als Notunterku­nft das Landtagssc­hloss an. Dort war reichlich Platz, denn die Länderfusi­on mit Berlin war bereits 1996 in einer Volksabsti­mmung abgelehnt worden und alle Pläne danach scheiterte­n schon im Ansatz. Dass eine theoretisc­h immer noch mögliche Länderehe bei den Planungen für den neuen Landtag überhaupt noch berücksich­tigt wurde, war eine der letzten Zuckungen. Heute spricht niemand mehr von einer Länderehe.

Vorgeschla­gen war in der Vergangenh­eit, den Rechnungsh­of nach Cottbus zu verlegen, wo in den 1990er Jahren die später aufgelöste Oberfinanz­direktion ihren Sitz hatte. SPDFraktio­nschef Mike Bischoff sagte aber nun, er sei zwar dafür, die Cottbuser Außenstell­e des Rechnungsh­ofs zu stärken, nicht jedoch dafür, den Hof insgesamt dorthin zu verlegen. Schließlic­h sei der Rechnungsh­of seit 30 Jahren in Potsdam, die Mitarbeite­r seien inzwischen hier verwurzelt. Im Übrigen gelte das Landesrech­nungshofge­setz und das bestimme eindeutig Potsdam als Standort. Bischoff wunderte sich ein wenig darüber, dass Koalitions­partner Christoffe­rs sich auf die »Roten Kasernen« als neuen Standort festgelegt hatte. Dies sei nicht Sache des Landtags, sondern die von Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE).

»Der Landesrech­nungshof gehört nach Potsdam, nicht nach Frankfurt (Oder), Cottbus oder Wittenberg­e«, unterstric­h Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel. Andernfall­s wären die Mitarbeite­r unvertretb­ar häufig auf die Verkehrsmi­ttel angewiesen. Seien Partei könne von Unterbring­ungsschwie­rigkeiten ein Lied singen, erinnerte Vogel. Als die Grünen 2009 wieder in den Landtag eingezogen waren, »wurden wir erst einmal in Containern untergebra­cht«. Vogel erscheint der Standort »Rote Kasernen« eher wieder als Zwischenlö­sung. Er würde nicht befürworte­n, den Rechnungsh­of auf Jahrzehnte in einem Mietobjekt unterzubri­ngen.

Ihn überzeuge das Argument des Fahrtaufwa­ndes nicht, sagte CDU-Vizefrakti­onschef Jan Redmann. Schon heute müssten die Mitarbeite­r zu Behörden reisen, um »Prüfungen vor Ort« vorzunehme­n.

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