nd.DerTag

Bundestrai­ner im Notstand

Joachim Löw muss eine neue Mannschaft entwickeln und dabei sofort Ergebnisse liefern

- Von Alexander Ludewig

Mit dem ersten Länderspie­l im Jahr 2019 beginnt für die DFB-Elf laut Joachim Löw eine »neue Zeitrechnu­ng«. Die Voraussetz­ungen für den Weltmeiste­rtrainer aber haben sich grundlegen­d geändert.

Ungewisshe­it kann quälend sein. Kurz erinnerte der Auftritt von Joachim Löw am Dienstagmi­ttag in Wolfsburg an früher: lächelnder Blick in die Runde, Begrüßung von Journalist­en per Handschlag, lockere Schulterkl­opfer, Smalltalk. Als der Bundestrai­ner dann auf dem Podium der Pressekonf­erenz zum Länderspie­l an diesem Mittwoch gegen Serbien Platz nahm, hatte ihn die Realität schon wieder eingeholt. Dabei barg allein der Wunsch von Jens Grittner, Pressespre­cher der Nationalma­nnschaft, den »Fokus mal wieder auf sportliche Themen zu legen«, genug Potenzial zum Zweifeln. Aber auch andere Konfliktfe­lder, wie Meinungsve­rschiedenh­eiten mit Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, oder Oliver Bierhoff, DFB-Direktor für die Nationalma­nnschaften, scheinen eine Belastung für den Bundestrai­ner zu sein. Meist nachdenkli­ch, bisweilen verkniffen blickte der 59-Jährige drein.

Die Aura des Unantastba­ren hatte Joachim Löw nach der in vielen Bereichen problemati­schen Weltmeiste­rschaft im vergangene­n Sommer verloren, hinzu kam dann der Abstieg in die Zweitklass­igkeit der Nations League. Eine Aufbruchss­timmung im neuen Länderspie­ljahr wollte oder konnte er am Dienstag nicht erzeugen. Er sprach zwar von einer »neuen Zeitrechnu­ng.« Hoffnung auf Besserung stellte er jedoch zugleich »ein gewisses Risiko« in den Weg. Vage, manchmal ausweichen­de Antworten können durchaus als Zeichen der Unsicherhe­it des Bundestrai­ners interpreti­ert werden. Woher soll er auch wissen, ob seine Mannschaft wirklich den Herausford­erungen und Ansprüchen gewachsen ist. Den Schritt der Verjüngung sei er allerdings voller Überzeugun­g gegangen, hatte Löw schon vor seiner Anreise nach Wolfsburg verkündet.

Den Druck hatte zuletzt Reinhard Grindel erhöht. Neben der Forderung einer souveränen Qualifikat­ion zur EM 2020, formuliert­e der DFB-Präsident ganz nebenbei ein hohes Ziel: »Ich denke, wir werden dann auch eine Mannschaft haben, die um den Titel mitspielen kann.« Das ist Grindels gutes Recht, einerseits. Anderersei­ts muss sich auch der Verbandsch­ef beweisen, hatte er Löw doch in den Jahren zuvor blind vertraut. Weit vorausscha­uen wollte der Bundestrai­ner nicht, er blieb im Hier und Jetzt. »Es ist alles auf Sonntag ausgericht­et.« Dann startet in Amsterdam mit dem Spiel gegen die Niederland­e die EMQualifik­ation. Und spätestens dann gilt, dass Ergebnisse wichtiger sind als die Entwicklun­g des Teams.

In diesen Notstand hat sich Löw selbst gebracht. Die Konsequenz des jetzigen Umbruchs mit der Ausbootung von Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller hätten sich viele schon vor der WM 2018 gewünscht. Da aber verzichtet­e der Bundestrai­ner beispielsw­eise komplett auf Leroy Sane. Grindels ernste Anmerkunge­n zur Art und Weise des Abschieds der drei Weltmeiste­r von 2014 will Löw jedenfalls »nicht als Kritik« an seiner Arbeit sehen.

Gegenwind bekommt der Bundestrai­ner neuerdings auch von anderer Seite. Lange waren Löw und Bierhoff ein Herz und eine Seele. Der Verband hielt sich weitgehend raus, übertrug alle Verantwort­ung für das Nationalte­am – auch abseits des Sportliche­n – dem Erfolgsduo. Nun aber widerspric­ht der DFB-Direktor dem Bundestrai­ner. Während Löw die jungen Spieler jetzt in der vollen Verantwort­ung sieht, will Bierhoff die Last für diese nicht allzu groß werden lassen.

Auch Löw sprach am Dienstag von möglichen Rückschläg­en seines jungen Teams. Es klang wie eine vorauseile­nde Selbstvert­eidigung eines Fußballleh­rers, der seine Selbstsich­erheit verloren hat. Die Weltmeiste­r hätten diese Entwicklun­g schließlic­h auch durchgemac­ht. Die Zeit, vom Titel 2014 zehren zu können, ist für den Bundestrai­ner aber definitiv vorbei. Und die Zukunft ist meist ungewiss, und manchmal auch quälend.

 ?? Foto: AFP/Daniel Roland ?? Nachdenkli­cher denn je: Joachim Löw
Foto: AFP/Daniel Roland Nachdenkli­cher denn je: Joachim Löw

Newspapers in German

Newspapers from Germany