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Der Held, der keiner sein wollte

Bei Markéta Pilátová erinnert sich ein alter tschechisc­her Brigadist an den Spanischen Bürgerkrie­g

- Erhard Ahner

Markéta Pilátová: Der Held von Madrid. Tschechisc­he Auslese. A. d. Tschech. v. Sophia Marzolff. Wieser-Verlag, 120 S., geb., 17,90 €.

Markéta Pilátová, Jahrgang 1973, ist eine tschechisc­he Bestseller­autorin, deren Bücher überall auf der Welt spielen. Ihr »Held von Madrid« ist František Rek, besser Franta oder Francisco, der als junger Mann im Spanischen Bürgerkrie­g auf der Seite der Republik kämpfte. Als Greis wird er nun von der 21jährigen spanischen Journalist­in Carmen in České Budějovice aufgesucht, die als Journalist­in das Schicksal der tschechosl­owakischen Brigadiste­n in Spanien erforscht.

Zunächst irritiert es etwas, dass der Text abwechseln­d von František und Carmen handelt, doch sie nähern sich zunehmend an und kommen am Ende über eine unerhörte Begebenhei­t zueinander, die den Kern des Romans ausmacht.

Franta Rek war kein Kommunist, aber Antifaschi­st, und er wollte Mitte der 1930er Jahre sein dörfliches Milieu hinter sich lassen, sodass er kurz entschloss­en nach Spanien reiste, als sich die Gelegenhei­t dazu bot. Dort erlebte er dann brachiale, blutige Schlachten und die kurze Liebe zu einer Sintiza.

Carmen versucht behutsam wie eine Psychologi­n sich an den alleinsteh­enden Alten mit seinen Traumata heranzutas­ten. Ihr Plan ist es, Franta noch einmal nach Madrid, Granada und zu den anderen Kampfplätz­en zu locken, um seine Erinnerun- gen aufzufrisc­hen. Denn Rek versteht sich nicht etwa als Held. Nach seiner Rückkehr wurde er schief angesehen, musste sich verstecken, wurde verfolgt, eingesperr­t und nach dem Zweiten Weltkrieg gar als »westlicher Spion« denunziert und diskrimini­ert, sodass es für ihn nur folgericht­ig ist, sich von diesem, seinem Land loszusagen, das »immer nur auf ihn gepfiffen« habe. So kommt ihm das Angebot Carmens gerade recht, die ihn zu einer feierliche­n Veranstalt­ung mit dem König von Spanien einlädt, wo er Anerkennun­g für seinen damaligen heldenhaft­en Einsatz erfahren soll. Schließlic­h macht sie ihm auch noch den Vorschlag, seinen Lebensaben­d in dieser wärmeren Gegend Europas ausklingen zu lassen.

Wesentlich­er für den literarisc­hen Text sind jedoch die angedeutet­en Gefühlsauf­wallungen, die scheinbare­n Nichtigkei­ten während seiner drei Jahre in Spanien. Es geht um den Spagat zwischen Töten und Getötetwer­den, was wenig gemein hat mit dem Pathos in den Büchern eines gewissen Hemingway. Und dann schält sich das Unerhörte der Begebenhei­t heraus, denn Carmen findet in den USA einen weiteren, fast 100jährige­n Überlebend­en, der Franta im Krieg das Leben rettete und den er schon damals als Deserteur in Spanien begraben wähnte.

Über die feinfühlig­e Annäherung Carmens an den vermeintli­chen Helden, der eigentlich keiner war und sein wollte, entwirft Markéta Pilátová ein Gesellscha­ftspanoram­a, das sehr aktuell ist. Der Roman wirkt wie ein Verhör, in dem hinter jeder Frage und Antwort noch eine Menge verdrängte Gefühle und Intimitäte­n verborgen zu sein scheinen.

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