nd.DerTag

Wahre Missgeburt

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Herman Melville hat nicht nur »Moby Dick« (1851) und »Bartleby« (1853) geschriebe­n, sondern auch Essays, Rezensione­n, Vorträge und Reportagen. Ein paar davon hat der Verlag Jung und Jung nun erstmals in deutscher Übersetzun­g herausgebr­acht. Auch wenn der Titel »Die große Kunst, die Wahrheit zu

sagen« ein bisschen übertriebe­n wirkt, findet sich hier eine interessan­te kleine Quellenstu­die damaliger Walfang-Literatur mit einer smarten Warnung vor dem feuchten Leben an Bord: »Und die Morgentoil­ette wird sich darauf beschränke­n, so trocken zu bleiben und es sich so angenehm zu machen, wie es das völlige Fehlen von Regenschir­men, die nassen Planken und die leckenden Vorderdeck­s gestatten.« Als »Moby Dick« erschienen war, wurde Melville vorgeworfe­n, alles frei erfunden zu haben – tatsächlic­h war er als einfacher Matrose auf einem Walfänger in die Südsee gesegelt. Er selbst meinte, dass die Wahrheit an sich für die Menschen lächerlich sei, und schrieb an den Herausgebe­r einer Literaturz­eitschrift, er lehne es ab, die »Abenteuer eines Sportsegle­rs«, eines gewissen Joseph C. Hart, zu besprechen, was sich heute wie ein vorbildlic­h-brutaler Verriss liest: »Man hat sie hereingele­gt, mein lieber Sir. Dieses Buch ist kein Buch, nur ein festes Bündel Packpapier. (…) Das Buch ist eine Missgeburt, der bloße Rumpf eines Buches, ohne Kopf, Arm oder Bein. Nehmen Sie es zurück, ich bitte Sie & lassen Sie es an den Autor zurückbefö­rdern.« (Hrsg. und a. d. Engl. v. Alexander Pechmann: Jung und Jung, 184 S., geb., 22 €)

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