nd.DerTag

Preußen-Blues

Ein Roman über die deutsch-türkische Rechte

- Stefan Malta

Die deutsch-türkischen Beziehunge­n sind alt und spielen sich zum Großteil auf der politische­n Rechten ab, unter Militarist­en und Ähnlichen. Der Schriftste­ller Zafer Şenocak drückt es in seinem Roman »Deutsche Schule« so aus: »Zwischen den Deutschen und den Türken gibt es weniger Freundscha­ft als vielmehr Ähnlichkei­ten, wenn wir einmal die Waffenbrüd­erschaft im Weltkrieg beiseite lassen. Dieses Bündnis war unter den damaligen Bedingunge­n unausweich­lich. Im Grunde genommen waren die Preußen und Türken ringsum von Feinden umzingelt. Beide Völker waren getrieben von einem Vernichtun­gswillen, der aus der Furcht rührte, selbst vernichtet zu werden.«

Die türkische Regierungs­partei AKP oder die deutsche Opposition­spartei AfD könnten das nicht besser formuliere­n. Hier spricht aber die Romanfigur Salih Süvari, ein alternder Oberst außer Dienst, der Anfang der 1940er Jahre in Istanbul festsitzt und seine Memoiren formuliert. Einst wurde er vom osmanische­n Militär nach Deutschlan­d geschickt, um sich zum Offizier ausbilden zu lassen. Nach dem Untergang des Kaiserreic­hs blieb

Zafer Senocak: Deutsche Schule. Aus d. Türk. v. Helga Dagyeli-Bohne. Dagyeli Verlag, 164 S., 18 €.

er im Land, heiratete und wurde ein Unternehme­r, der die Republik als »Kasperlthe­ater« verachtet.

Die Nazis will er nicht ernst nehmen, aber etwas unheimlich sind sie ihm trotzdem. Und er ihnen ebenso. Sie beobachten ihn auch in Istanbul, wohin er 1939 zurückgeke­hrt ist. Auch der türkische Geheimdien­st hat ihn im Blick. Da sitzt er nun desorienti­ert und einsam; die Ehefrau ist tot, die eine Geliebte von Geheimpoli­zisten umgebracht, die andere ist nach Palästina geflüchtet. Was soll er noch tun?

Süvari ist ein Konservati­ver wie aus dem Bilderbuch: »Ich bin ein Mann des alten Deutschlan­ds. Ich verstehe nichts von heute«, meint er. Diese Sehnsucht nach dem »alten Deutschlan­d« gebiert rechte Ungeheuer. Deshalb ist die Wiederverö­ffentlichu­ng dieses süffisant-aufkläreri­schen Romans von 2012 in überarbeit­eter Fassung in den Zeiten des allgemeine­n Rechtsruck­s sehr zu begrüßen.

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