Aus freien Stücken
»›Darf ich mir selber einen runterholen?‹ Du fragst. Du kannst ja fragen. ›Kann man das sagen, bei Frauen, einen runterholen‹, fragt er zurück. ›Hab ich doch grad‹, sagst du, ›und wär’s für dich OK?‹ Das Handy piepst, ›OK Google‹, sagt er.« In einem Band versammeln die »Missy Magazine«-Mitbegründerin
Sonja Eismann und die Chefredakteurin Anna Mayrhauser Geschichten, Geständnisse, Erzählungen und Dokumentarisches zum Thema Selbstbestimmung. Wie breit dieser Begriff ausgelegt werden kann und wie Konsens nahezu alle Lebensbereiche durchzieht, merkt man an der Vielfältigkeit der 15 Texte der Anthologie
»Freie Stücke« . So wie in der Erzählung »Singin’ in the pain, fünf Dialoge« der Wiener Autorin Nadine Kegele. Darin geht es nicht nur um einvernehmlichen Sex oder gewalttätige Beziehungen, sondern auch ums Mannsein in einer patriarchalen Gesellschaft (»Pissoirs sind eine Zumutung«) oder eben um das selbstbestimmte Bewegen offline und online – um den Umgang mit sensiblen Daten bei ständiger Transparenz im Netz. Die Stücke verhandeln Grenzen und Raumeinnahme, die (fehlende) Hoheit über den eigenen Körper oder Demütigung bei einer Anhörung im Asylverfahren. Alle Autor*innen kommen aus dem Umfeld des »Missy Magazines«, und so liest sich das Ganze auch wie eine dickere Ausgabe der Zeitschrift in Buchformat. Der Band sammelt Erzählungen aus dem Alltag, meist aus der Ich-Perspektive, zeigt Gedanken auf, die jede*r hat, bietet literarische Gedankenspiele, rankt sich um Repräsentation und Geständnisse und wird so zur Gebrauchsanleitung für den Alltag, was einen selbstbestimmten Umgang mit sich selbst und anderen betrifft. Es gibt Texte von Denice Bourbon (»Wenn du ihn küsst, musst du ihm auch einen blasen«), Mithu Sanyal (»Meine Klitoris schwoll auf die Größe des Zimmers«), Rabab Haider, Jacinta Nandi (»Die Frauen leiden immer noch. Aber ihr seid nicht alleine, ihr leidet nicht alleine«) Kathrin Röggla (»Phantasierst du jetzt von Sex wie andere davon phantasieren, jemanden zu erschlagen?«) Joey Juschka und Christian Schmacht (Edition Nautilus, 160 S., br., 16 €).