Die Ohrfeige
Wie das Mädchen Ahed Tamini zur Ikone des Widerstands wurde
Man könnte sie die palästinensische Beate Klarsfeld nennen – Ahed Tamini. Sie wurde durch eine Ohrfeige zur neuen Ikone des palästinensischen Widerstandes gegen israelische Besatzungswillkür.
Es geschah am 15. Dezember 2017: Die Einwohner des Dorfes Nabi Salih, unweit von Ramallah im Westjordanland, demonstrieren erneut für Landnutzungsrechte, insbesondere um Zugang zu einer Wasserquelle, die ihnen von israelischen Siedlern streitig gemacht wird. Wieder rücken schwer bewaffnete Soldaten an, treiben die Menschen brutal auseinander. Zwei Posten versperren den Eingang des Hauses der Familie Tamini, da reißt dem 16-jährigen Mädchen mit blondgelockter Haarpracht der Geduldsfaden. Ein Video fängt den Vorfall ein, es geht um die Welt, macht Schlagzeilen. Ahed Tamini wird verhaftet und kommt erst Ende Juli 2018 wieder frei.
Die Schülerin war bereits zuvor mehrfach mit der Besatzungsmacht zusammengestoßen, gleich ihren Brüdern und Cousins; auch ein Todesopfer hat ihre Familie zu beklagen. Ahed kennt in ihrem jungen Leben nichts anderes als Gewalt, Drangsal, Demütigung, Existenzangst und Entrechtung. Kann man es ihr verdenken, dass sie sich wehrt?
»Mein mutiges, schönes, schüchternes und kühnes, kleines Mädchen«, schreibt am 31. Januar 2018 Bassem Tamini im Brief an seine Tochter zu ihrem Geburtstag, den sie im Gefängnis verbringen muss: »Meine Tochter, es tut mir so leid, dass ich dich nicht vor der Abscheulichkeit der Besatzung beschützen konnte.« Traurige und zuversichtliche, ja auch poetische Zeilen eröffnen den Band, der das Ereignis, dessen Hintergründe und Begleitumstände, Folgen und Nachwirkungen beschreibt und in dem unter anderem ebenso Aheds Tante Manal Tamimi zu Wort kommt.
Es ist keine antiisraelische Schrift, so findet sich hierin etwa die Warnung: »Die Tendenz von Teilen der Linken, die bedrohliche Entwicklungsrichtung der Reaktion in der israelischen Gesellschaft willkürlich als ›Faschismus‹ zu identifizieren, ist politisch gefährlich.« Es ist aber sehr wohl eine Anklage der Brutalität und Unmenschlichkeit.