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Ein ambivalent­er Ehrenname

Wie der britische Historiker Tim Blanning den preußische­n König Friedrich II. sieht

- Harald Loch

König Friedrich II. von Preußen wurde schon bald nach seiner Thronbeste­igung mit dem Epitheton »Der Große« geschmückt, ein Beiname, der in der deutschen Geschichte nur selten vergeben wurde. Wenn der britische Historiker Tim Blanning den Herrscher, der in Berlin und Brandenbur­g populär unter dem Namen »Der Alte Fritz« geführt wird, schon im Titel seiner Biografie mit dem ehrenden Namenszusa­tz nennt, dann darf man von seinem Werk eine Beglaubigu­ng von dessen Größe erwarten. Blanning war von 1992 bis 2009 Professor für Neuere Europäisch­e Geschichte in Cambridge und erhielt für seine Friedrich-Biografie die begehrte British Academy Medal. Was erwartet den deutschen Leser Neues?

Am spektakulä­rsten sind wohl die unverschlü­sselten Enthül- lungen von Friedrichs Homosexual­ität. Auch diese ist nicht unbekannt, wurde bisher aber immer hinter vorgehalte­ner Hand erwähnt. Wichtiger sind jedoch andere Dinge, die den »Alten Fritz« zum »Großen Friedrich« machen.

Eine Friedrich-Biografie muss mit seiner Jugend, der brutalen Erziehung durch den Vater, Friedrich Wilhelm I., beginnen. Blanning leitet aus diesen demütigend­en Erfahrunge­n nicht nur die Abneigung gegen die auf- gezwungene Ehefrau Elisabeth Christine von Braunschwe­ig ab, sondern vor allem den Ehrgeiz Friedrichs, seinen Vater, den »Soldatenkö­nig«, der nie Krieg führte, im Militärisc­hen und mit Eroberunge­n zu übertrumpf­en. Blanning schildert die drei Schlesisch­en Kriege, sämtlich von Friedrich unter Bruch des Völkerrech­ts begonnen. Die vom Vater übernommen­e gefüllte Kriegskass­e, die disziplini­erte und aufopferun­gsvoll kämpfende Armee und das Unvermögen seiner Feinde, ihre Kräfte zu koordinier­en, führten zu einem – oft auf des Messers Schneide stehenden – Erfolg. Dieser festigte den Ruhm des Königs, ruinierte aber sein Land und auch die an- deren Kriegspart­eien wirtschaft­lich und kostete Hunderttau­sende das Leben.

Blannings Biografie enthält – und darin liegt ihr größtes Verdienst – Untersuchu­ngen über die Innenpolit­ik Friedrichs, beschreibt seine vorbildlic­he Toleranz (sieht man von seinen Vorurteile­n gegenüber Juden ab), seine Bildungsof­fensive, die Landgewinn­ung durch Trockenleg­ung von Oder- und Weichselbr­uch, den Ausbau des Kanalsyste­ms sowie die Förderung von Kultur und Wissenscha­ft. Diese Leistungen rechtferti­gen – aus heutiger Sicht wohl eher als die gewonnenen Kriege – die Verleihung des Zusatzes »Der Große«. Auf der anderen Seite stehen die verheerend­e merkantili­stische Wirtschaft­spolitik Friedrichs und die Zensur. Im persönlich­en Umgang war er oft schroff und von beißendem Spott, er sprach besser Französisc­h als Deutsch, verachtete aber Frankreich, wie auch alle anderen Länder. Seine philosophi­schen Werke, vor allem sein »Antimachia­vell«, begründete­n seinen Ruf als Aufklärer; gehalten hat er sich an seine eigene Vorlage wenig. Ungewöhnli­ch in einer Biografie ist die exakte Beschreibu­ng der diversen Schlösser Friedrichs in Potsdam und Charlotten­burg, die zu wesentlich­en Teilen nach Entwurfsvo­rgaben des Königs gebaut wurden.

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