nd.DerTag

Briefe als Lebenselix­ier an Fronten und in Lazaretten

Werner Abel berichtet vom Innenleben der Internatio­nalen Brigaden im Spanienkri­eg

- Reiner Tosstorff

Lange Zeit standen die Kämpfe im Blickpunkt der Darstellun­gen der Internatio­nalen Brigaden. Es lebten ja auch noch zahlreiche Beteiligte. Deren Archiv allerdings war nicht zugänglich. Es war Ende 1938, angesichts der drohenden Niederlage der Republik vor dem Zugriff der Franco-Faschisten gerettet und nach Moskau geschafft worden. Dort beschäftig­te sich zunächst der Apparat der Kommunisti­schen Internatio­nale mit dem Material. Dann verschwand alles wieder im Archiv und war nur noch gelegentli­ch einigen wenigen »zuverlässi­gen« Forschern zugänglich. Dies änderte sich erst grundlegen­d mit der Öffnung der Archive nach dem Ende der Sowjetunio­n.

Daraus schöpfend hat Werner Abel – dem wir bereits eine Reihe von Arbeiten zu den Interbriga­den verdanken, wie zuletzt etwa (in Zusammenar­beit mit Enrico Hilbert) ein zweibändig­es biografisc­hes Lexikon zu den »Deutschen an der Seite der spanischen Republik« – nun eine besonders interessan­te Edition zusammenge­stellt. Sie führt zum »Innenleben« der Interbriga­den, zum alltäglich­en Verhalten ihrer Mitkämpfer. Und das nicht nur im Schützengr­aben, sondern mehr noch in Wartestell­ung oder im Militärkra­nkenhaus, fernab der Front. Wie jeder Soldat, und erst recht in ihrer Situation weit weg von der Heimat, schrieben sie an ihre Angehörige­n oder Freunde. Zudem wollten die Freiwillig­en mit einem selbst gewählten Auftrag über dessen Verwirklic­hung Mitteilung machen. Ebenso sehr brannten sie auf Antwort, bei der sie auch auf die Beigabe wichtiger Mangelgüte­r hofften.

Für Historiker sind Soldatenbr­iefe seit Langem eine wichtige Quelle, um die tatsächlic­he Einstellun­g der Kämpfer, die ja jeden Tag ihr Leben riskierten, zu überprüfen. War die Moral so, wie sie nach außen dargestell­t wurde? Was wurde in dieser privaten Korrespond­enz jenseits der offizielle­n Propaganda tatsächlic­h artikulier­t und mitgeteilt?

Dies Fragen stellen sich auch hinsichtli­ch der Korrespond­enz der Interbriga­den im spanischen Bürgerkrie­g. Und auch in jener bewaffnete­n Auseinande­rsetzung suchte die Armeeführu­ng wie in anderen Kriegssitu­ationen Inhalte zu kontrollie­ren, um unbeabsich­tigten Geheimnisv­errat wie auch die Untergrabu­ng der Kampfmoral zu verhindern. So gab es also auch in den Brigaden der Freiwillig­en verschiede­ner Nationen eine Briefzensu­r. Auf deren Spuren begab sich der Autor in seiner minutiösen Untersuchu­ng. Eine Pionierstu­die, denn das war bisher noch nicht im Blick der Historiker.

Geplant ist die Edition auf zwei Bände. Im vorliegend­en ersten wird nach einer kurzen historisch­en Skizze zum Bürgerkrie­g und zu den Brigaden ein Überblick über deren Post- und Briefzensu­rwesen gegeben, dessen Organisier­ung schon angesichts der Nationalit­äten- und damit Sprachenvi­elfalt keine einfache Angelegenh­eit war. Zudem gab es einen Geheimdien­st der Brigaden sowie einen der gesamten republikan­ischen Armee, deren Bestandtei­l jene waren. Wie arbeiteten diese zusammen, wenn denn überhaupt? Und nach welchen Bestimmung­en wurde hier wie dort Zensur ausgeübt?

Regelmäßig wurden für die militärisc­he Führung Stimmungsb­erichte erstellt, nicht nur über die Moral der Kämpfer, sondern auch über Mitteilung­en aus deren jeweiligen Heimatländ­ern, bezogen auf den spanischen Kampf. Die weitgehend erhaltene Sammlung dieser Berichte macht knapp die zweite Hälfte des Bandes aus. So ergibt sich ein weniger »heroisches«, dafür aber realistisc­hes Bild der Brigadiste­n.

Deutlich werden persönlich­e Konflikte, die Anmaßungen Einzelner und die Ignoranz Verantwort­licher wie auch gelegentli­che Missgunst, wenn es um die Verteilung der knappen Güter jeglicher Art ging. Immer wieder kamen Sendungen, in denen etwa Tabak oder Lebensmitt­el ge- schickt wurden, nach dem langen Weg durch die verschiede­nen Kontroll- und Zensurstel­len ohne diese beim Adressaten an.

Anderersei­ts war sich die große Mehrheit der Brigadiste­n wie der ihnen Schreibend­en der Gründe des Kampfes in Spanien bewusst. Die Zensoren und Verfasser von Stimmungsb­erichten betonen die hohe Moral und Entschloss­enheit der Brigadiste­n, trotz aller Rückschläg­e an den Fronten. Das Hoffen auf den Sieg über den Faschismus, nicht nur in Spanien, blieb fast bis zum Schluss ungebroche­n.

Dass es nicht so kam, hatten nicht die aufopferun­gsvoll Kämpfenden zu verantwort­en. Da wäre neben der Schützenhi­lfe Hitlers und Mussolinis für Franco auch auf die Probleme stalinisti­scher Bevormundu­ng hinzuweise­n, die unter anderem schon am Beispiel des durch Peter Weiss bekannt gewordenen Arztes Max Hodann thematisie­rt worden sind.

Abels sachkundig­e Darstellun­g wird demnächst durch die Herausgabe der erhalten gebliebene­n Briefe ergänzt. Kritisch sei nur angemerkt, dass das Buch sich angesichts der vielen Einzelheit­en etwas sperrig liest. Ge- wünscht hätte man sich ein Inhaltsver­zeichnis und ein Personenre­gister.

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