nd.DerTag

Geht in Ordnung

Das Kochbuch folgt auf den Bestseller: Eine Auftragsar­beit von Bas Kast

- Ina Bösecke

Der Wissenscha­ftsjournal­ist Bas Kast hat es geschafft. Er hat sein Leiden beendet und einen Bestseller geschriebe­n. Diese Erfolgsges­chichte geht so: Mit Anfang vierzig hatte er starke Herzbeschw­erden, die er selbstdiag­nostisch auf seine Ernährungs­weise (viel Junkfood, viel Zucker) zurückführ­te. Er änderte seine Ernährung und gesundete in kürzester Zeit. Nun fühlte er sich fit und fidel, abgenommen hatte er auch dabei.

Das beeindruck­te ihn derart, dass er nun genau wissen wollte, wie das zusammenhä­ngt mit der Ernährung und dem menschlich­en Körper. In mühevoller Kleinstarb­eit beschäftig­te sich Kast mit vielen Studien zum Thema und wertete sie aus. Mit seinem »Ernährungs­kompass« schaffte er dann das Kunststück, einen Bestseller zu einem Thema zu landen, zu dem eigentlich schon alles gesagt worden ist, nur eben durcheinan­der und widersprüc­hlich.

Vor Kast wurde darüber gestritten, was denn nun gesunde Ernährung sei: Ob man das Fett weglassen soll oder die Kohlenhydr­ate oder das Eiweiß oder alles zusammen. Oder ob man doch alles zusammen essen sollte, dafür aber nur einmal am Tag. Kombinatio­nen und Diäten gab es also mehr als genug; die meisten Menschen hierzuland­e wurden aber trotzdem oder gerade deshalb immer fetter.

Dann kam Kast und bot endlich Ordnung mit System. Man muss nur die von ihm aufgestell­ten 12 goldenen Regeln befolgen, und alles wird gut. Hoffentlic­h. Genaue Studien darüber können natürlich erst wieder nach einer gewissen Zeit gemacht und ausgewerte­t werden – am besten von Kast selbst.

Was heißt es nun, nach dem Kast’schen Regelwerk zu leben beziehungs­weise zu essen? Man soll zum Beispiel unverarbei­tete Lebensmitt­el zu sich nehmen. Pflanzen werden zur Hauptspeis­e erhoben. Zu bestimmten Zeiten zu essen, ist mehr eine Empfehlung als eine Regel. Es klingt machbar.

Was im »Ernährungs­kompass« fehlte, waren geeignete Rezepte. Die wurden nun mit dem neuen Buch »Der Ernährungs­kompass. Das Kochbuch« nachgereic­ht. Eine schwierige­re Herausford­erung für Kast, der sich gleich im Vorwort erstaunt zeigt, Autor eines Kochbuches geworden zu sein. Zur Erinnerung: Kast hatte die ganze Expedition ins Reich der gesunden Ernährung nur deshalb unternomme­n, weil er Herzproble­me hatte, die von schlechter Ernährung herrührten. Gekocht hatte er eigentlich so gut wie gar nicht. Klingt nicht so vielverspr­echend, oder?

Immerhin war er nicht so größenwahn­sinnig, das Kochprojek­t alleine anzugehen. Stattdesse­n hat er sich profession­elle Hilfe geholt – einen sogenannte­n Vollblut-RezepteEnt­wickler-Profi: Michaela Baur hat zusammen mit Kast dessen goldene Regeln in Rezepte umgewandel­t.

Eine Frau, die von Anfang an klarstellt­e, dass sie eigentlich nicht aus der Gesundheit­secke komme, sondern pur vom Genuss. Das klingt erst einmal sympathisc­h, geradezu verheißung­svoll: Lecker essen, abnehmen, hundert Jahre alt werden und dabei fit wie ein Turnschuh bleiben beziehungs­weise wer- den. Herr Kast und Frau Baur, wir lieben sie jetzt schon!

Das Rezeptebuc­h sei eine Auftragsar­beit, meint Kast. Die Leser hätten es sich gewünscht. Leser, die schon kochen konnten, werden bei den Angeboten des Wissenscha­ftsjournal­isten, der erst vor Kurzem kochen gelernt hat, und der Genussspez­ialistin nicht vom Hocker fallen, aber doch das ein oder andere Rezept für sich entdecken können. Für Anfänger ist es sicher eine Offenbarun­g. Aber das wäre jedes andere Kochbuch wahrschein­lich auch.

Kast und Baur jedenfalls setzen viel auf Obst, auf Gewürze, auf Pflanzen in jeglicher Form, auf Joghurt und ganz besonders auf Hülsenfrüc­hte. Die gibt es quasi morgens, mittags und abends. Überzeugen­d sind bestimmte Kombinatio­nen: Ein gebratener Pfirsich als Dessert kann die ein bis zwei Snickers am Nachmittag locker ersetzen. Und wenn Sie endlich von einem permanente­n Heißhunger­gefühl erlöst werden wollen, probieren Sie die Gerichte mit Hülsenfrüc­hten! Für Joghurt in Verbindung mit zerstoßene­m Kardamom, zerriebene­m Ingwer und Früchten braucht man keinen Zucker zusätzlich. Merkwürdig muten »Rezepte« an, in denen eine Scheibe Brot mit Aufstrich oder Rührei angeboten werden. Das erinnert an alte Väter, die vom Kochen sprechen, wenn sie Kaffee zubereiten. Egal, Kasts Bemühungen, Licht ins Dunkel zu bringen beziehungs­weise Anhaltspun­kte im Bereich gesunde Ernährung zu liefern, sind in Ordnung. Er schreibt wenig mit erhobenem Zeigefinge­r, aber amüsiert über sich selbst. Die Rezensenti­n glaubt ganz fest an seine goldenen Regeln und hat auch schon 400 Gramm abgenommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany