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Kämpfe verbinden

Linksparte­ichef Riexinger will das Profil seiner Partei schärfen

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Linksparte­ichef Bernd Riexinger plädiert dafür, dass seine Partei alle Lohnabhäng­igen anspricht.

Welche der vielen Gründe für die schlechten Ergebnisse der Linksparte­i bei den Landtagswa­hlen in Sachsen und Brandenbur­g sehen Sie als hausgemach­t an?

Ein Problem ist, dass wir es nicht geschafft haben, das Gegengewic­ht zur AfD zu sein. Viele haben in Sachsen die CDU und in Brandenbur­g die SPD gewählt, damit die AfD nicht stärkste Kraft wird, obwohl das die Parteien sind, die durch ihre Politik der letzten 30 Jahre die soziale Spaltung verursacht haben. Wir als LINKE haben auch zu wenig eigenes Protestpro­fil gezeigt. Wir hätten der AfD niemals diese Rolle überlassen dürfen. Denn sie protestier­t ja nicht gegen ungerechte Verhältnis­se, sondern steht für das Treten nach unten. Was mich aber am meisten besorgt, ist, dass die LINKE im Osten tiefe strukturel­le Probleme hat. Hier gehen aufgrund der Altersstru­ktur die Mitglieder­zahlen zurück. Und es ist klar, dass der Aktivitäts­grad und die Präsenz vor Ort auf Wahlergebn­isse große Auswirkung­en haben. Wir müssen also dringend den Aufbau der Partei vorantreib­en, mit klarem Profil und Verankerun­g in der Gesellscha­ft.

Hat der Absturz in Brandenbur­g und Sachsen vielleicht auch etwas mit der langjährig­en Fixierung auf die Arbeit in den Parlamente­n zu tun?

Ja. Wir hatten ja schon vor fünf Jahren bei den Landtagswa­hlen in Brandenbur­g einen Einbruch erlebt. Die Diskussion ging damals darum, wie man regieren sollte. Eine Schlussfol­gerung war, dass man künftig deutlicher herausstel­len muss, dass Kompromiss­e nicht identisch mit den Zielen und Forderunge­n der Partei sind. Die Partei muss eine eigenständ­ige Rolle haben, für ihre Ziele werben, die weitergehe­nd sein müssen. Außerdem: Wenn 70 Prozent der Brandenbur­ger sagen, dass ihnen keine Maßnahme einfällt, die die LINKE in der Regierung durchgeset­zt hat, dann muss einem das schon zu denken geben. Die LINKE muss eine gesellscha­ftliche Funktion haben, und die ist nicht nur, die Verhältnis­se zu kritisiere­n, sondern auch Hoffnung und Perspektiv­en für die Zukunft zu entwickeln. Und es muss klar sein, dass wir gegen die Herrschend­en kämpfen.

Die AfD hat erneut vor allem mit ihren fremdenfei­ndlichen Positionen gepunktet. Wie schafft man es als LINKE zu vermitteln, dass Solidaritä­t mit Geflüchtet­en, Migranten, Diskrimini­erten und der Kampf für soziale Gerechtigk­eit zusammenge­hören?

Vor allem müssen wir eindeutig sein. Es ist klar, dass man auch gegen die Stimmung bei einem Teil der eigenen Wähler argumentie­ren muss. Ich glaube, bei der großen Mehrheit in der Partei ist es unumstritt­en, dass wir Ausländer- und Flüchtling­sfeindlich­keit nicht

mitmachen und dagegenhal­ten. Es ist für die Genossen vor Ort erschrecke­nd, ansehen zu müssen, wie eine Partei an einem vorbeimars­chiert, die die rohesten und grausamste­n Positionen vertritt.

Mit Argumenten scheint man oft nicht durchzudri­ngen ...

Dennoch dürfen wir nicht resigniere­n, weil uns das Problem dauerhaft beschäftig­en wird. Wie man in den USA, Großbritan­nien oder Ungarn sieht, können solche Kräfte schnell hegemonial werden. Wir müssen deutlich machen, dass die AfD in uns den entschiede­nsten Gegner hat – und dass wir eine echte politische Alternativ­e sind. Das heißt auch, immer wieder darüber aufzukläre­n, dass die AfD mit ihren sozialen und ökonomisch­en Positionen für die Mehrheit der Lohnabhäng­igen eine Katastroph­e wäre, dass sie die Gewerkscha­ften schwächen würde. Wir sollten auch die Losung »Alle demokratis­chen Parteien gegen die AfD« kritisiere­n. Wir arbeiten natürlich in breiten Bündnissen gegen die Rechten mit. Aber wir müssen gleichzeit­ig konsequent für ein anderes Gesellscha­ftsmodell stehen. Und wir müssen darauf hinweisen, dass diejenigen, die den Osten als Experiment­ierfeld für marktradik­ale Politik benutzt haben, mitverantw­ortlich sind für den Aufstieg der Rechten. Sahra Wagenknech­t hat erneut kritisiert, die Linksparte­i habe sich von den Marginalis­ierten und Unzufriede­nen entfremdet und interessie­re sich eher für »hippe Großstadtm­ilieus«. Ist da was dran?

Nein. Es gibt einen breiten Konsens in der Partei, dass wir die Interessen der Lohnabhäng­igen in den Mittelpunk­t unserer Arbeit stellen. Genau das tun wir, unter anderem mit unserer Pflegekamp­agne und der Mietenkamp­agne. Zur arbeitende­n Bevölkerun­g gehören ja zum Beispiel auch Erzieherin­nen, Fahrradkur­iere oder IT-Entwickler. Die sind keine »Lifestyle-Linken«. Und auch nicht die vielen, die Abitur oder ein abgeschlos­senes Studium haben und doch ihre Arbeitskra­ft zu billig verkaufen müssen. Dass wir bei diesen Gruppen hinzugewon­nen haben, tut uns außerorden­tlich gut. Natürlich müssen wir die Partei sein, die sich für die einsetzt und für die spricht, die durch den Kapitalism­us am meisten benachteil­igt werden. Aber wenn wir eine bedeutende politische Rolle spielen wollen, müssen wir alle Lohnabhäng­igen ansprechen.

Auf Bundeseben­e versucht die LINKE, sich als sozial-ökologisch­e Alternativ­e zu den Grünen zu profiliere­n. Hat sie damit in den Braunkohle­regionen Wähler verschreck­t? Sozial-ökologisch­er Umbau ist ein linkes Thema. Wir sind die einzige Partei, die dafür sorgen will, dass sich niemand zwischen Arbeitspla­tz und Klimaschut­z entscheide­n muss. Um die Erderwärmu­ng zu begrenzen, müssen wir massiv in die Entscheidu­ngen der Konzerne eingreifen, die die Hauptverur­sacher des Klimawande­ls sind. Wenn die LINKE in so einer wichtigen Überlebens­frage der Menschheit kein klares Profil entwickelt, wird sie auch in fünf Jahren nicht gewählt. Gerade junge Leute politisier­en sich über dieses Thema. Dass das jetzt noch den Grünen zugute kommt, ist logisch. Aber viele, die sich für Klimaschut­z engagieren, merken schnell, dass es eine Systemände­rung braucht, um wirklich etwas zu erreichen. Das ist unsere Chance. Der Umstieg auf Elektromot­orisierung wird zum Verlust zahlreiche­r Jobs führen. Deshalb wollen wir die Automobili­ndustrie zu einer Branche der nachhaltig­en Mobilität umbauen, im Interesse der Beschäftig­ten und des Klimaschut­zes. Dafür muss man sich gegen die Konzernlog­ik der kurzfristi­gen Profite stellen. Wir setzen auf den konsequent­en Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s, der kostenfrei werden muss.

Muss die Autoindust­rie dafür vergesells­chaftet werden?

Ich glaube, dass die Debatte über die Vergesells­chaftung im Automobils­ektor, zumindest über eine politische Kontrolle, geführt werden muss. Das muss aber die Unterstütz­ung der Beschäftig­ten finden. Die LINKE tut sich keinen Gefallen, wenn sie Forderunge­n einfach postuliert.

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Foto: dpa/Gregor Fischer
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Foto: dpa/Gregor Fischer Für Bernd Riexinger ist Klimaschut­z eine Systemfrag­e.

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