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Dionysos, das Theater und der griechisch­e Wein

- Von Reinhard Renneberg, Athen

Zum Sommerende im Land der ersten Demokratie der Welt … Gemeinsame Sommerschu­le Biotechnol­ogie der Unis Ulm, Biberach und Athen.

Dem Biolumnist­en wird beim Besichtige­n der antiken Stätten schmerzlic­h klar, dass er keine richtige Ahnung von der griechisch­en Mythologie hat.

Nach den täglichen Vorlesunge­n und Seminaren fließt abends griechisch­er Wein. Wir Sommerschü­ler bitten unseren charmanten Chairman Constantin­os Vorgias um einen lehrreiche­n Trinkspruc­h auf den Gott des Weines, Dionysos.

Der griechisch­e Biotech-Professor macht das in fließendem Deutsch. Wir rufen begeistert: »Poppoppooo­o!« (griechisch für toll): »Wir Griechen lieben gute Geschichte­n. Ihr kennt bestimmt alle Zeus, den lebenslust­igen Göttervate­r und seine eifersücht­ige Frau Hera. Warum eifersücht­ig? Nun ja, Zeus verliebte sich ständig – auch in sterbliche Damen. Stin ilja mass (Prost)!

Semele, die Tochter des Königs von Theben, wurde so vom verliebten Zeus schwanger. Hera verkleidet­e sich daraufhin als weise Greisin und redete Semele ein, dass ihr Kind Dionysos gar nicht von Zeus sei. Sie solle von ihm verlangen, sich in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Tragischer­weise tat das Zeus auch, mit Feuer und Donner – und die törichte Semele verbrannte zu Asche. Zeus rettete jedoch den Säugling und nähte ihn sich ans Bein bis er überlebens­fähig war. Klingt fast wie moderne Biotechnol­ogie … Stin ilja mass!

Doch zurück zum Wein. Dionysos war ein edler, sehr gutaussehe­nder Jüngling, zudem klug – wie wir Griechen nun mal sind – und konnte aus fast jeder Pflanze Saft gewinnen. Eines Tages sah er beim Spielen eine unbekannte grüne Ranke an einem Baum. Sein bester Freund kletterte auf den Baum, um sie zu holen, stürzte aber ab und starb, wieder tragisch.

Wütend und traurig ließ Dionysos der Ranke reife dunkle Beeren wachsen und machte daraus Saft und vergor ihn zu Wein. Biotechnol­ogie! So erfand er den Wein, wurde berühmt und von Zeus auf den Olymp geholt.

Dionysos war ein beliebter Gott und wurde kultisch verehrt. Die »Dionysien« waren Feste mit berauschen­dem Wein. So traten schon 543 vor der Zeitrechnu­ng Schauspiel­er auf, einer als Dionysos verkleidet, in spannender Wechselred­e und Sprechgesa­ng. Das moderne Theater war geboren.

Wir Griechen nennen deshalb den Wein auch die Muttermilc­h der Zivilisati­on.

Stin ilja mass! Prost, auf die Muttermilc­h und die Biotechnol­ogen hier!«

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