Tragik eines Genies
Er wurde als Sohn eines Rechtsanwalts in Hamburg geboren. Da ihm das theoretische Wissen in der Schule nicht genügte, ging er sonntags bei einem Tischler in die Lehre. Hier erlernte er das Drechseln so perfekt, dass sein Meister, nachdem er von den wissenschaftlichen Erfolgen seines einstigen Schützlings erfahren hatte, betrübt feststellte: »Ach wie schade, was wäre das für ein Drechsler geworden!«
Nach Abschluss des Gymnasiums absolvierte der von uns Gesuchte ein Praktikum in einem Konstruktionsbüro. Anschließend nahm er in Dresden ein Studium der Ingenieurwissenschaften auf. Doch die Vorlesungen langweilten ihn zumeist. Er verließ Dresden deshalb nach einem Semester wieder und leistete in Berlin seinen einjährigen Militärdienst ab. Ein begeisterter Soldat war er nicht gerade. Ein Gutes jedoch habe das stupide Kasernenleben, ließ er seine Eltern wissen: »Die Faulheit wird einem gründlich ausgetrieben; man sieht erst, was man alles kann, wenn man muss.«
Mit 21 schrieb er sich an der Universität Berlin ein, um Mathematik und Physik zu studieren. Zu seinen Lehrern gehörte kein Geringerer als Hermann von Helmholtz. Von diesem wurde er ermutigt, sich an der Lösung einer Preisaufgabe über ein Problem der Elektrizitätslehre zu beteiligen, das damals noch großteils unverstanden war. Er gewann den Preis und legte damit den Grundstein für seine spätere wissenschaftliche Karriere.
Zuvor freilich musste er die akademische Ochsentour absolvieren: Promotion, Assistent bei Helmholtz, Habilitation. Seine erste Physikvorlesung hielt er als Privatdozent an der Universität Kiel. In der Regel hatte er sechs bis acht Hörer. Bei schönem Wetter blieben die Studenten auch schon mal ganz weg. Er war daher erleichtert, als er nach zwei Jahren als Professor an die Technische Hochschule Karlsruhe wechseln konnte. Zumal er hoffte, sich hier mehr der Forschung widmen zu können. Stattdessen musste er anfangs alle möglichen Verwaltungsarbeiten erledigen. »Ob ich wohl auch so einer werde«, schrieb er in einem Brief, »der nach Erlangung einer Professur aufhört, etwas zu leisten?«
Doch seine Selbstzweifel waren unbegründet. Kurz nach der Hochzeit mit der Tochter eines Kollegen gelang ihm der große Durchbruch. Die Entdeckung, die er machte, revolutionierte nicht nur die Wissenschaften, sondern das Leben vieler Menschen. In Anerkennung dieser und anderer Leistungen wurde er mit 32 Jahren als Ordinarius für Physik an die Universität Bonn berufen, nachdem er Angebote aus Berlin, Gießen und den USA abgelehnt hatte.
Allein mit seiner Gesundheit stand es nicht zum Besten. In einer Vorlesung erklärte er seinen Studenten geradezu prophetisch: »Wenn mir wirklich etwas geschieht, sollt ihr nicht trauern, sondern ein wenig stolz sein, dass ich dann zu den besonders Auserwählten gehöre, die nur kurz und doch genug leben.« Einige Monate darauf starb er an den Folgen einer Blutvergiftung – im Alter von 36 Jahren. Für eine Arbeit, die er vor seinem Tod mit einem seiner Assistenten begonnen hatte, erhielt dieser später den Nobelpreis. Aber auch der von uns Gesuchte wurde vielfach geehrt, so ist etwa eine fundamentale Maßeinheit heute nach ihm benannt.
Wer war’s?
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