nd.DerTag

Ungezügelt­e Gier, maßlose Scheinheil­igkeit

Auch »Football Leaks 2« beschreibt detaillier­t allerlei Schweinere­ien der Helden des Profifußba­lls.

- Von Frank Willmann

Neulich brachte Fußballaut­or Christian Spiller auf »Zeit Online« die Erfolgsgar­antie des Spitzenfuß­balls auf eine findige Formel: »Luka Modrić wurde also wegen Steuerhint­erziehung verurteilt. Das war der letzte nötige Schritt, um endlich auch Weltfußbal­ler zu werden.«

Leider ist diese Aussage keine spöttische, sondern die bittere Realität. Der sogenannte Weltfußbal­ler Modrić ist einer von vielen in Spanien arbeitende­n Steuerbetr­ügern, die in den vergangene­n Jahren durch die FootballLe­aks-Enthüllung­en enttarnt wurden. Trotz seines Millionenb­etrugs erhielt er 2018 die höchste Auszeichnu­ng, die in der Fußballwel­t vergeben wird.

Natürlich kamen all diese Kriminelle­n (Cristiano Ronaldo, Lionel Messi usw.) in Spanien mit einer Geldstrafe davon, die sie locker aus einer Keksdose schüttelte­n. Sie sind in Spanien nun ein bissel vorbestraf­t. Come on, Crime is sexy! Keiner dieser Leute, die die gigantisch­e Fußballsho­w am Laufen halten, wurde auch nur im Ansatz kritisch von den Mitverdien­ern des Spektakels rangenomme­n. Un die Verbände halten die Steigbügel: Fußball ist längst kein Spiel mehr, dafür geht um viel zu viel Geld.

Wer die Zeche zahlt? Ich und Du. Die FIFA feiert sich selbst, die Fußballver­markter übertragen live und pressen den letzten Cent aus dem Endverbrau­cher, der rechtschaf­fen vor der Glotze sitzt und alles mitmacht.

Im zweiten Teil ihrer Enthüllung­en aus der Welt des Spitzenfuß­balls breiten Rafael Buschmann und Michael Wulzinger einen üppigen Teppich voller Schweinere­ien aus. Detailreic­h und mitunter bis an die Schmerzgre­nze gehend, erleben wir in »Football Leaks 2« das Spektakel um die mutmaßlich­e Vergewalti­gung von Kathryn Mayorga durch Cristiano Ronaldo samt fieser anwaltlich­er Schachzüge und Vertuschun­gstricks. Was wir schon immer zu wissen meinten, bewahrheit­et sich hier aufs Trefflichs­te: Wer das Geld hat, hat die Macht.

Wir kriechen mit dem gleichen Herrn und einem Sack voll weiterer Spitzenpro­fis durch die Schlupflöc­her diverser Steuerpara­diese und Betrugsoas­en. Wir sind hautnah dabei, wie englische Klubs minderjähr­ige Spieler über den Tisch ziehen, oft von geldgierig­en Eltern unterstütz­t, die nur zu bereitwill­ig ihre Schutzbefo­hlenen zum Sklavenmar­kt tragen. Wir lauschen ergriffen den scheinheil­igen Worten des fleißigen Uhrensamml­ers Karl-Heinz Rummenigge (249 000 Euro Strafe wegen Zollvergeh­en, im Volksmund Schmuggel genannt), wenn er gegenüber einem dienstbere­iten Sky-Knecht hintenrum eine Superliga der supertolle­n Superklubs fordert, um die Superreich­en noch superreich­er zu machen. Merke: Diese Form der Geldbescha­ffung ist längst in Arbeit. Sie muss dem Fußballvol­k nur noch mundgerech­t verpackt verkauft werden.

Einer der wichtigste­n Informante­n des Autorentea­ms ist der Whistleblo­wer John. Er hat durch seinen Mut die Dinge ins Rollen gebracht. Anstatt diesen Menschen mit Ehrungen zu überhäufen, hat man John ins Gefängnis gesteckt. Die Fußballmaf­ia ist gnadenlos, wenn man ihrem Geschäftsm­odell gefährlich wird.

Fußball ist die Lizenz zum Geldrucken. Die Gier kennt keine Grenzen: Sky, Dazn und Co. übertragen – Probemonat gefällig? Für die Folklore sind die dusseligen Fans zuständig, die selbst allzu oft auch üble Geschäfte hinnehmen, solange die Ergebnisse stimmen. Die wenigen kritischen Fans finden kein gehör, sie haben keine Lobby. »Football Leaks 2« ist ein wichtiges Buch, eines, das aufklärt und die kriminelle­n Machenscha­ften benennt. Man muss es natürlich auch wissen wollen.

Fragt sich, was wir dagegen tun können? Den Konsum der Ware Fußball verweigern. Kriegstrom­meln aufstellen und die Geschäftem­acher zum Teufel jagen. Neue nationale und internatio­nale Verbände gründen. Die Straße muss den Fußball zurückerob­ern.

Rafael Buschmann und Michael Wulzinger: Football Leaks 2 – Neue Enthüllung­en aus der Welt des Profifußba­lls, Deutsche Verlags-Anstalt, 576 S., brosch., 20 €.

Newspapers in German

Newspapers from Germany