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Wenn ein Schriftste­ller die Post verteilt

Andreas Gläser ist der Mann in der Poststelle, im »Nebenjob« schreibt er

- Von Anke Ziebell

Wann immer ich in die Poststelle des »nd« komme, läuft Musik, gute Musik, lebensfroh­e Musik. Und die verfehlt nicht ihre Wirkung – im Refugium von Andreas Gläser geht es entspannt zu. Mit seiner ruhigen Art scheint der Mann mit den blauen Augen jeden zu erden. Mit derselben Ruhe kümmert er sich um die Post, die Pakete, die Zeitungsst­apel, die am FranzMehri­ng-Platz 1 täglich ankommen und von dort aus verschickt werden. Zwischendu­rch klingelt das Telefon, irgendeine­r hat immer eine Frage, manchmal sind es auch Leser des »nd«, die von ihm eine Auskunft wollen. Und für die immer eiligen Postboten, die kistenweis­e Briefe bringen, Pakete ankarren, hat er ohnehin ein freundlich­es Wort. Er weiß um ihren harten Job. »Ich war selbst eine Zeit lang Briefträge­r. Eine Arbeit, bei der ich zwar keine Geldnot hatte, aber auch keine Zeit mehr zum Geldausgeb­en,« erzählt er.

Seit 2017 ist Andreas Gläser der Mann in der Poststelle. Zuvor hatte der 54-Jährige in verschiede­nen Berufen Erfahrunge­n gesammelt. Der gelernte Tiefbaufac­harbeiter hat als Lüftungsmo­nteur, Fassadenma­ler und im Ausbau gearbeitet. »Das Handwerkli­che ist das eine, doch ich habe immer an etwas anderes gedacht: an die Schreibere­i.« Seine ersten Gastauftri­tte auf Lesebühnen hatte der Berliner – 1998, ein Jahr später gründete er »Die Chaussee der Enthusiast­en« mit, und von 2002 bis 2012 verdiente er schließlic­h seinen Lebensunte­rhalt als Schriftste­ller. Vier Bücher hat Andreas Gläser veröffentl­icht, durchaus erfolgreic­h, bis nach Südkorea führten ihn seine Lesereisen.

»Doch die Schreibere­i reichte einfach nicht zum Leben, auf ein gutes Jahr folgten drei schlechte«, beschreibt er die Zeit.

Später, in einem geregelten Job als Pförtner, nutzte er die langen Nächte, um seine Gedanken, Beobachtun­gen festzuhalt­en. Einiges davon war in »Gläsers Kolumne« zu lesen, die 2014 bis 2017 wöchentlic­h im »nd« erschien.

Mit der Arbeit in der Poststelle, die ihm ein Freund vermittelt­e, schließt sich der Kreis. »Hier habe ich eine Basis, um in meiner freien Zeit trotzdem schreiben zu können«, so Gläser. »Ich würde mich gern noch mal an einem Roman versuchen.«

Vorerst beteiligt sich der alteingese­ssene BFC-Dynamo-Fan an der neuen Union-Kolumne im »nd«. »Ich gehe allerdings nur in die Alte Försterei, wenn Hertha spielt«, meint er mit einem verschmitz­ten Lächeln.

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Foto: nd/Heidi Diehl
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