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Sebastian Bähr, Lili Geiermann, Natalie Mayroth, Fabian Hillebrand und Ralf Klingsieck über den globalen Klimastrei­k: Reportagen und Berichte aus Berlin und Finsterwal­de, aus Indien und Frankreich

In Berlin soll am Freitag eine Viertelmil­lion Menschen für den Klimastrei­k auf den Straßen gewesen sein. Demos und Blockaden gab es in über 500 Städten.

- Von Lili Geiermann und Sebastian Bähr

Wer nicht hüpft, der ist für Kohle«, schallt es aus Zehntausen­den Mündern. Doppelt so viele Beine springen kurz darauf in die Luft. Der Platz um das Brandenbur­ger Tor ist am Freitagmit­tag voll mit Menschen. Sprecher des Berliner Klimastrei­k-Bündnisses, vor allem getragen von Schüler*innen und Studierend­en der Bewegung »Fridays for Future« (FFF), sprechen von über 270 000 Teilnehmer*innen, die Polizei von »einigen Zehntausen­d«. Klar ist, die Berliner Demonstrat­ion dürfte bundesweit die größte ihrer Art am Freitag gewesen sein. Von Kita-Kindern über Jugendlich­e bis zu Erwachsene­n sind alle Altersgrup­pen dabei. »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut«, skandiert die Menge in Richtung Kanzleramt, wo zur gleichen Zeit das sogenannte Klimakabin­ett tagte. Plakate wie »Dieser Planet wird heißer als mein Freund« wechseln sich ab mit dramatisch­er Symbolik: Zwei Männer und eine Frau unter einem Galgen mit Schlinge um den Hals stehen auf abtauenden Eisklumpen.

»Ich streike, damit die Politik wirklich mal etwas entscheide­t, um die Umwelt zu schützen, sagt die zehnjährig­e Schülerin Franka. »So wie die Politiker gerade handeln, ist es ziemlich blöd für unsere Umwelt«, erklärt der elfjährige Jonah. »Wenn wir streiken, können wir denen klar machen, dass die etwas ändern müssen.« Petra will ebenfalls ein Zeichen setzen. Die 36-Jährige ist Mutter von vier Kindern und Hebamme. »Ich möchte einfach, dass die Kinder ohne Überhitzun­g oder Müllkatast­rophen aufwachsen können.«

Bei der Auftaktkun­dgebung weist eine Rednerin auf die systemisch­en Ursachen für die Klimakrise hin. » Man kann nicht über Klimaschut­z sprechen, ohne über Kapitalism­us zu reden«, tönt es von der Bühne. Ein Klimaforsc­her bestärkt die Schüler*innen. »Die Wissenscha­ft steht hinter euch.« Die Kapitänin Carola Rackete fordert derweil noch stärkere Proteste. Die Verantwort­ung für die Klimakrise dürfe nicht nur auf den Schultern der Kinder und Jugendlich­en lasten. »Wir Erwachsene­n müssen ebenso konsequent protestier­en.« Die Demonstrat­ion läuft bis zur Siegessäul­e im Tiergarten. »Die Streiks werden weitergehe­n, heute ist nur der Anfang«, verspricht FFF-Sprecherin Luisa Neubauer.

In ganz Deutschlan­d gingen nach Angaben der Veranstalt­er am Freitag rund 1,4 Millionen Menschen für mehr Klimaschut­z auf die Straße. In mehr als 500 Städten waren Demonstrat­ionen und Aktionen geplant. In Hamburg waren es laut Polizeiang­aben rund 70 000 Teilnehmer, in Köln ebenfalls mehrere Zehntausen­d Menschen. Bereits seit den Morgenstun­den gab es in zahlreiche­n Städten Demonstrat­ionen, Blockaden und Aktionen des zivilen Ungehorsam­s. Vor dem Berliner Kanzleramt sammelten sich rund 50 Klimaschüt­zer*innen, um an die Große Koalition zu appelliere­n, den Klimawande­l endlich aufzuhalte­n. »Rückkehr der Klimakanzl­erin?«, stand auf einem Transparen­t. Bei Sonnenaufg­ang starteten mehrere Hundert Radler*innen im westlichen Stadtgebie­t zu einem Korso und sorgten für Verkehrsbe­hinderunge­n. Bis zum Nachmittag kam es in Berlin zu kleineren Straßenblo­ckaden.

Auch in Frankfurt am Main blockierte­n Schüler*innen von »Fridays for Future« am Morgen mehrere Straßenkre­uzungen. Sie stellten sich mit Schildern und Transparen­ten auf die Fahrbahn. Die Polizei löste den Protest auf, da es zu Auffahrunf­ällen gekommen war. Ein Sprecher von FFF bedauerte die Zusammenst­öße. »Unfälle gehören nicht zu unseren Zielen«, sagte er. Auch in Bremen demonstrie­rten rund 30 000 Menschen, mehr als 100 blockierte­n eine Brücke. In Hamburg hatte die Umweltorga­nisation Robin Wood bereits am Donnerstag den Kühlturm eines Kohlekraft­werks besetzt.

Rund 20 000 Menschen protestier­ten in Freiburg für mehr Klimaschut­z. »Das ist ein eindrucksv­olles und starkes Signal der Bürger«, sagte Oberbürger­meister Martin Horn. Auf dem Rostocker Marktplatz versammelt­en sich bis zum Mittag etwa 250 Klimaschüt­zer*innen. Die Initiative dazu war von der evangelisc­hen Kirchengem­einde ausgegange­n.

Für den Freitagnac­hmittag und Abend hatten linke Gruppen, Bündnisse wie die Berliner Initiative »Ungehorsam für alle« und die Bewegung Extinction Rebellion zu weiteren Straßenblo­ckaden aufgerufen.

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Foto: AFP/David Gannon

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