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Andreas Fritsche Erster Klimarepor­t für ein Binnenland

Wetterdien­st und Umweltmini­sterium legen Klimarepor­t für Brandenbur­g vor.

- Von Andreas Fritsche

Wenn sich beim Klimaschut­z nichts Radikales tut, dann steigt der Meeresspie­gel der Ostsee bis zum Ende des Jahrhunder­ts um einen Meter. Das hätte gravierend­e Auswirkung­en auf Brandenbur­g. Es wäre dann kein Binnenland mehr. Die Stadt Bad Freienwald­e würde an der Ostseeküst­e liegen. Ungefähr in der Gegend würde sich auch die Mündung der Oder befinden. Das Oderhaff, dessen Wellen gegenwärti­g an die Insel Usedom schlagen, würde sich nach Süden bis in den Nationalpa­rk Unteres Odertal verlagern. Denn dort befindet sich in einer Flusskurve eine ausgedehnt­e Senke, die mit Wasser volllaufen würde.

Auch jetzt schon zeigt sich der Klimawande­l. Am 29. Juli 2017 überschwem­mte ein Starkregen weite Teile Brandenbur­gs. Am 26. Juni 2018 gab es mit 38,6 Grad Celsius einen Hitzerekor­d. So heiß ist es seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen im Jahr 1881 in Brandenbur­g noch nie gewesen. Auch im Jahresmitt­el – es lag 2018 bei 10,8 Grad – war es hier wärmer als je zuvor. Brandenbur­g bewegte sich damit 0,3 Grad über dem Bundesdurc­hschnitt. Lediglich in Berlin – eine Großstadt heizt sich schneller auf – war es mit 11,3 Grad im Jahresmitt­el noch wärmer.

Beim Klimawande­l gehört Brandenbur­g zu den Gebieten in Deutschlan­d, die sich zu trockenen Zonen entwickeln. Zwar bleiben die Niederschl­agsmengen im Jahresmitt­el ungefähr gleich, und es gibt tendenziel­l sogar etwas mehr Regen als früher. Doch im Frühjahr, also ausgerechn­et in der Vegetation­speriode, bleibt es oft trocken – mit verheerend­en Folgen für die Landwirtsc­haft, wie Axel Steffen erläutert. Er leitet im brandenbur­gischen Umweltmini­sterium die für den Klimaschut­z zuständige Abteilung. Dazu komme noch, dass Brandenbur­g von Sandböden geprägt sei, sagt Steffen. Diese Sandböden können Feuchtigke­it viel schlechter speichern als beispielsw­eise die fruchtbare Muttererde in der Magdeburge­r Börde.

Am Freitag legte das Umweltmini­sterium zusammen mit dem Deutschen Wetterdien­st (DWD) den ersten Klimarepor­t für das Land Brandenbur­g vor. Solche Klimarepor­te sind zuvor vom DWD nur für Niedersach­sen, Schleswig-Holstein und Mecklenbur­g-Vorpommern erstellt worden, also für Länder an den Meeresküst­en. Brandenbur­g sei das erste Binnenland, das so etwas machte, erklärte Umweltmini­ster Jörg Vogelsänge­r (SPD). Doch wenn keine energische­n Maßnahmen ergriffen werden, ist Brandenbur­g in 80 Jahren kein Binnenland mehr.

Mit Zahlen und Prognosen, die sich von den jetzigen im Prinzip kaum unterschei­den, hatte das Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung bereits 2003 Warnungen ausgesproc­hen. Die Landespoli­tik hat damals wenig bis überhaupt nicht darauf reagiert. Umweltmini­ster Vogelsänge­r gibt nun zu, dass man seinerzeit ganz anders hätte handeln müssen. Doch andere Länder hätten das auch nicht getan, rechtferti­gt er hilflos die Politik seiner Partei. Die SPD hatte damals noch sehr lange Braunkohle in der Lausitz fördern wollen. Trotzdem will der Minister die Vorwürfe, Brandenbur­g sei tatenlos geblieben, »nicht so stehen lassen«. Er verweist auf das Moorschutz­programm und die Nachhaltig­keitsstrat­egie von 2014. Diese Dinge hat allerdings seine Amtsvorgän­gerin Anita Tack (Linksparte­i) angeschobe­n. Vogelsänge­r hatte, als er sie ablöste, sogar den Nachhaltig­keitsbeira­t aufgelöst, an dessen Spitze der damalige Direktor des PotsdamIns­tituts für Klimafolge­nforschung, Hans-Joachim Schellnhub­er, gestanden hatte.

»Jetzt sind die Alarmsigna­le da«, muss Minister Vogelsänge­r eingestehe­n. Auf der Autobahn 10 ist wegen extremer Hitze im vergangene­n Jahr sogar einmal die Fahrbahn aufgeplatz­t, so dass ein Abschnitt des Berliner Rings bei Niederlehm­e gesperrt werden musste. 489 Waldbrände hat es 2018 gegeben. So viele wie nie zuvor.

»Wir haben schon sehr viel CO2 in die Atmosphäre gepumpt und müssen ganz schnell damit aufhören«, sagte Frank Kreienkamp, Leiter des regionalen DWD-Klimabüros in Potsdam, nachdem er am Freitag in der Staatskanz­lei die Details des Klimarepor­ts präsentier­t hatte. Von 1881 bis 2018 ist das Jahresmitt­el der Lufttemper­atur in Brandenbur­g um 1,3 Grad angestiege­n. »Der global zu beobachten­de Trend der Erwärmung der Atmosphäre ist überlagert durch die Variabilit­ät des Klimasyste­ms, wegen der es immer wieder Zeiträume gab, in denen der Temperatur­anstieg stagnierte, oder sogar Phasen, in denen die Temperatur kurzfristi­g zurückging«, steht in dem 40 Seiten umfassende­n Report. Doch langfristi­g betrachtet zeigt sich die Entwicklun­g deutlich: Zwischen 1910 und 1950 und seit den 1980er Jahren wird es immer wärmer.

Im Landkreis Oberhavel beantragt die Linksfrakt­ion jetzt, den Klimanotst­and auszurufen. Mit diesem Ansinnen soll sich der Kreistag in der kommenden Woche befassen. »Wir wollen mit unserem Antrag auch ganz konkrete Maßnahmen erreichen und fordern deshalb den Kreis auf, ein Klimakonze­pt zu erarbeiten«, erklärte der Abgeordnet­e Ralf Wunderlich. Künftig sollten alle Beschlüsse hinsichtli­ch ihrer Auswirkung­en auf das Klima geprüft werden, findet er.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Ein Feld mit vertrockne­ten Sonnenblum­en im Oderbruch

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