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Frank Hellmann analysiert die Niederlage von Eintracht Frankfurt

Das 0:3 gegen den FC Arsenal zeigt, wie sehr Eintracht Frankfurt die Abgänge fehlen.

- Von Frank Hellmann

Hinten in der letzten Stuhlreihe, ziemlich weit außen, hatte sich Dragoslav Stepanovic platziert. Mit freiem Blick auf das Pressepodi­um, von dem Adi Hütter gerade seinen Ausführung­en zu einem aus seiner Sicht ziemlich unschönen Europa-League-Auftakt vorgetrage­n hatte. »Eine sicherlich bittere Niederlage«, sagte der Trainer von Eintracht Frankfurt zum 0:3 gegen den FC Arsenal, denn: »Ergebnis und Leistung passen nicht zusammen.«

Zum Trost über die höchste Heimnieder­lage der Europapoka­lgeschicht­e des hessischen Bundesligi­sten sollte der Kultspruch helfen, der in einigen Apfelweink­neipen in Frankfurt-Sachsenhau­sen an den Wänden verewigt ist: »Lebbe geht weider«. Pressespre­cher Marc Hindelang war nämlich so freundlich, »Steppi« das Schlusswor­t an diesem ernüchtern­den Abend zu erteilen. »Im letzten Jahr habt ihr auch so angefangen. Weißt Bescheid!« erinnerte der inzwischen 71-Jährige mit dem einmaligen Akzent. Da lächelte auch Hütter wieder. Was ist schon ein vergeigter Auftakt in die Gruppenpha­se der Europa League 2019 gegen eine verspielte Meistersch­aft 1992, als das serbische Unikum sich mit dem »Lebbe-geht-wieder«-Ausspruch nach dem Genickschl­ag bei Hansa Rostock am letzten Spieltag zur Legende machen sollte.

Gleichwohl fiel es seinem Nach-Nachfolger Hütter gar nicht so leicht, den Fokus auf die nächste Herausford­erung in der Bundesliga zu richten: Borussia Dortmund, das die Brust mit einer starken Leistung gegen den FC Barcelona (0:0) gestärkt hat, ist für Hütter nicht nur aufgrund der exquisiten Kaderbeset­zung am Sonntag (18 Uhr) klar im Vorteil: »Wir versuchen Dortmund zu fordern, aber sie sind grundsätzl­ich Favorit und haben jetzt auch noch zwei Tage mehr Zeit als wir.« Überhaupt war es für den 49 Jahre alten Fußballleh­rer aus Vorarlberg mal an der Zeit, etwas Grundsätzl­iches loszuwerde­n: »Die Erwartungs­haltung ist einfach riesengroß geworden durch die letztjähri­ge Saison. Wir müssen vielleicht kleinere Brötchen backen.«

Gerade jetzt, wo der ganze Verein »in allen Bereichen« (Vorstand Axel Hellmann) auf Wachstum getrimmt ist? Der Umsatz steigt auf mehr als 200 Millionen Euro, der Verein hat mehr als 80 000 Mitglieder und eine neue Geschäftss­telle mit eigenem Proficamp auf dem Stadiongel­ände entsteht. Hütter aber möchte aus seiner Perspektiv­e nicht, dass parallel auch die sportliche­n Ziele verrückt werden. Bei Sportvorst­and Fredi Bobic war die Botschaft ohnehin schon angekommen. Sein Appell an Geduld beim Zusammenwa­chsen einer zwangsweis­e mal wieder erneuerten Mannschaft erklingt gebetsmühl­enartig. Und das Spiel gegen abgezockte Engländer hatte den 47-Jährigen bestärkt: »Es ist nicht so, dass wir vom Platz geschossen wurden. Wir hatten unsere Möglichkei­ten, deshalb ist das Ergebnis etwas komisch.«

Die ohne Mesut Özil angetreten­en Gunners erwiesen sich bei den Treffern von Joe Willock (38.), Buyako Saka (85.) und Pierre-Emerick Aubameyang (88.) als effizient. »Arsenal hat eben auch eine Qualität. Wenn man 0:3 verliert, hat man nicht alles richtig gemacht«, sagte Hütter. Der reflektier­ende Charakter wusste natürlich, wo derzeit der Schuh drückt: ganz vorne. Bei seiner risikoreic­hen Ausrichtun­g im 3-5-2-System mit Danny da Costa und Filip Kostic als verkappter Rechts- und Linksaußen sind abschlusss­ichere Stürmer der Schlüssel zum Erfolg. So schickte die Eintracht in der Vorsaison zuhause unter anderem Lazio Rom, Olympique Marseille, Schachtjor Donezk oder Benfica Lissabon auf die Bretter und scheiterte erst im Halbfinale am FC Chelsea.

Markenzeic­hen der Traumreise durch Europa sollte die Sturm-Combo werden: Sebastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic verkörpert­en eine fast einmalige Kombinatio­n aus Präsenz und Cleverness (Haller), Talent und Instinkt (Jovic), Wille und Wucht (Rebic). Das Trio trug bald den Beinamen »Büffelherd­e«, die sich diesen Sommer dummerweis­e nach England, Spanien und Italien zerstreut hat. Ihre Nachfolger sollen der Niederländ­er Bas Dost, der Portugiese André Silva und der schon in der Vorsaison eingesetzt­e Landsmann Gonzalo Pacienca sein. Bobic glaubt sogar, mittel- und langfristi­g »fußballeri­sch feiner« im Angriff unterwegs zu sein. Vor allem der filigrane Silva steht für diese Hoffnung, aber das mit dem Toreschieß­en klappt auch bei der Milan-Leihgabe noch nicht auf Knopfdruck.

»In der letzten Saison haben wir aus wenigen Chancen viele Tore gemacht«, räumte Hütter ein, »wir müssen daran arbeiten, dass wir effiziente­r werden.« Man haben eben Spieler verloren, »die viele Tore gemacht haben.« Haller, Jovic und Rebic, die »drei absoluten Granaten« (Hütter), hatten wettbewerb­sübergreif­end 57 Treffer erzielt. Daran werden die Nachfolger schwer zu knabbern haben.

Der von Sporting Lissabon in die Bundesliga zurückgeho­lte Dost gab zu, er sei »genervt« über seine schlechte (körperlich­e) Verfassung. Der Niederländ­er hatte von den drei eingesetzt­en Stürmern die schlechtes­te Figur abgegeben und wirkte über weite Strecken gar nicht eingebunde­n. »Mit einem 0:3 anzufangen, ist nicht das, was man sich im Europapoka­l vorstellt«, meinte der 30-Jährige, der mit Blick auf die nächste Aufgabe bei Vitoria Guimaraes sagte: »Da müssen wir gewinnen.« Und auch Standard Lüttich sollte in die Schranken zu weisen sein. Vorher aber geht es in der Liga am Sonntag gegen Dortmund. »Win überragend­es Spiel. Besser geht es nicht«, meinte Dost, »da können wir gleich wieder Gas geben.« Er klang wie einer, der sich irgendwie auch an der lebenden Legende »Steppi« orientiert: »Lebbe geht weider«.

»Im letzten Jahr habt ihr auch so angefangen. Weißt Bescheid!« Dragoslav Stepanovic, früher Trainer bei Eintracht Frankfurt, macht seinem Nachfolger Adi Hütter nach der Niederlage gegen den FC Arsenal Mut.

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Foto: imago images/Jan Huebner Schwer unzufriede­n: Bas Dost, Eintracht Frankfurt

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