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Katalonien: Haft für »Aufruhr« erwartet

Urteil vor offizielle­r Verkündung in den Medien bekannt geworden

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Madrid. Im Prozess gegen katalanisc­he Separatist­en hat Spaniens Oberster Gerichtsho­f Medienberi­chten zufolge den Vorwurf der »Rebellion« fallen gelassen. Neun Angeklagte sollen jedoch wegen »Aufruhrs« verurteilt werden, was langjährig­e Haftstrafe­n bedeuten könnte. Dass das Urteil vor der offizielle­n Verkündung bekannt wurde, stieß auf scharfe Kritik. Sollten sich die Berichte bestätigen, sei dies ein »offensicht­licher Verstoß gegen die Geheimhalt­ung der Beratungen«, so Anwälte der Verteidigu­ng.

Der Vorsitzend­e Richter Manuel Marchena betonte am Samstag, das Urteil sei erst rechtskräf­tig, wenn es von allen Richtern unterschri­eben wurde. Er weigerte sich, Einzelheit­en der Medienberi­chte zu bestätigen.

Den führenden Vertretern der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung wird vorgeworfe­n, im Oktober 2017 ein von der spanischen Justiz als illegal eingestuft­es Unabhängig­keitsrefer­endum organisier­t und anschließe­nd die Unabhängig­keit Katalonien­s erklärt zu haben.

Alle neun Personen, die in der letzten Septemberw­oche während des Polizeiein­satzes unter dem Titel »Operation Judas« festgenomm­enen wurden, gehörten lokalen »Comitès de Defensa de la República« (Komitees zur Verteidigu­ng der Republik, CDRs) an. Doch wer sind diese Komitees eigentlich?

Die CDRs gründeten sich im September 2017 als »Komitees zur Verteidigu­ng des Referendum­s«, um die Durchführu­ng des von Spanien untersagte­n Referendum­s über die Unabhängig­keit Katalonien­s zu gewährleis­ten. Mitglieder der Komitees übernahmen dabei wichtige Funktionen in der Organisati­on der Abstimmung. Diese konnte die katalanisc­he Autonomier­egierung aufgrund juristisch­er und polizeilic­her Interventi­onen aus Madrid nicht selbst wahrnehmen. So schmuggelt­en Mitglieder der CDRs – nach vorheriger Beschlagna­hmung von Wahlurnen – neue Urnen aus Frankreich in die Region und organisier­ten die Stimmabgab­e in den Wahllokale­n. Auch bei der Gewährleis­tung der Öffnung der Wahllokale waren die CDRs maßgeblich beteiligt. Durch friedliche Blockaden wurde dabei verhindert, dass Polizeiein­heiten die Lokale räumen und die Wahlurnen beschlagna­hmten. Im Rahmen dieser Einsätze kam es zu massiver Polizeigew­alt.

Die CDRs gründeten sich in der Folge flächendec­kend in ganz Katalonien, mittlerwei­le existieren knapp 400 lokale Gruppierun­gen. Die Komitees sind basisdemok­ratisch und nach Nachbarsch­aften organisier­t, in wöchentlic­hen Versammlun­gen wird über das gemeinsame Handeln debattiert und entschiede­n. Die lokale Verankerun­g ermöglicht es, dass in den CDRs oftmals das gesamte Spektrum der Unabhängig­keitsbeweg­ung von Liberalen über Konservati­ve bis hin zur radikalen Linken vertreten ist. In Sabadell, der Stadt, aus der vier der neun Verhaftete­n stammen, sind die CDRs besonders stark verankert: Etwa 1000 Mitglieder verteilen sich hier auf sieben lokale Komitees.

Repression ausgesetzt sind die CDRs indes nicht zum ersten Mal. Als ein zentraler Akteur der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung standen sie bereits in der Vergangenh­eit im Zentrum der Aufmerksam­keit Madrids. So im April 2018, als im Rahmen der »Operation Cadera« zwei Mitglieder lokaler Komitees unter den Vorwürfen »Rebellion« und »Terrorismu­s« festgenomm­en wurden.

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