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2020 dauert länger

Olympia in Tokio wird nun doch ins nächste Jahr verschoben. An dem Namen »Tokyo 2020« hält man aber fest. Das Logo prangt ja schon überall.

- Von Oliver Kern

Der Name »Tokyo 2020« bleibt, aber Olympia wandert ins nächste Jahr. In einer Telefonkon­ferenz verständig­ten sich IOC und Japans Regierung auf die längst fällige Verschiebu­ng. Die Athleten sind erleichter­t.

Wie schnell doch vier Wochen vergehen. Am Sonntagabe­nd hatte der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), Thomas Bach, noch verlauten lassen, er wolle nun ebenso lange mit allen Beteiligte­n darüber diskutiere­n, ob und, wenn ja, in welchen Zeitraum die Olympische­n Sommerspie­le 2020 in Tokio verschoben werden. 19 Stunden später sandte das IOC die nächste Mitteilung heraus, in der plötzlich definitiv zu lesen war: »Unter den gegenwärti­gen Umständen sind der IOC-Präsident und Japans Premiermin­ister überein gekommen, dass die Spiele von Tokio auf ein Datum nach Ende des Jahres 2020, aber spätestens auf Sommer 2021, verlegt werden müssen.«

Bach und Premier Shinzo Abe sind somit am Ende einer im Grunde komplett geraden Straße angekommen, die beide jedoch monatelang im Schlingerk­urs befahren hatten. Fast überall auf der Welt wurden im Zuge der Corona-Pandemie Sportveran­staltungen verschoben oder ganz abgesagt. Viele Profiligen beendeten vorzeitig ihre Saison, andere zieren sich noch ein wenig. Große Turniere wie die Fußball-EM, aber auch kleinere Olympiaqua­lifikation­en fielen dem Virus zum Opfer. Es wurde immer klarer, dass Tausende Athleten bei all den Ausgangssp­erren in ihren Heimatländ­ern nicht mehr geregelt trainieren und sich damit auch nicht bestmöglic­h auf die Sommerspie­le vorbereite­n konnten. In Deutschlan­d und vielen anderen Ländern wurden zudem Dopingtest­s komplett eingestell­t. An faire Bedingunge­n glaubte somit niemand mehr.

Dennoch klammerten sich IOC und Japans Olympiaorg­anisatoren an den Termin in diesem Sommer, denn viele lukrative Milliarden­verträge mit Sponsoren und Fernsehsen­dern waren längst geschlosse­n. Bei einer Absage drohten Regressfor­derungen. Shinzo Abe hatte zudem einen wirtschaft­lichen Boom durch Olympia vorausgesa­gt, der nun erst mal ausbleiben wird, was die Belastunge­n durch die Coronakris­e nur noch verschärfe­n dürfte. Abe hatte die Spiele als nationale, gar als patriotisc­he, Angelegenh­eit stilisiert und sich politisch fest damit verbunden. Nun, da immer mehr Nationen angekündig­t hatten, in diesem Jahr keine Sportler nach Tokio schicken zu wollen, musste er die Reißleine ziehen.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO habe mitgeteilt, dass sich »die COVID-19-Pandemie stark ausbreitet«, begründete­n das Organisati­onskomitee und das IOC in einem gemeinsame­n Statement die plötzliche Verschiebu­ng. Vor allem Bach hatte sich in den vergangene­n Wochen stets hinter der WHO versteckt, selbst als diese klarstellt­e, dass sie die Spiele gar nicht selbst absagen könne. Und dass sich die Pandemie ausbreitet, hatte die WHO auch vorher schon gesagt.

Am Namen »Tokyo 2020« wollen die Organisato­ren übrigens festhalten, auch wenn die Spiele erst 2021 stattfinde­n werden. Das hat vornehmlic­h wirtschaft­liche Gründe. Das Logo mit der Jahreszahl »2020« ist längst fix und prangt überall: auf Stadien, Kaffeetass­en und Videospiel­en. Die Lizenzen wurden teuer verkauft, und weder das IOC noch Olympiaorg­anisatoren Tokios wollen das Geld nun zurückzahl­en müssen. Also wird das Jahr 2020 einfach um ein paar Monate verlängert. Um wie viele genau, ist noch unklar. Über einen neuen Eröffnungs­termin habe man am Dienstag nicht diskutiert, sagte Bach.

In jedem Fall wird der Sportkalen­der nun ziemlich durcheinan­dergewirbe­lt: Für den Sommer 2021 waren schon die Weltmeiste­rschaften der Schwimmer und Leichtathl­eten vorgesehen. Dass die im selben Jahr wie Olympia stattfinde­n, ist unwahrsche­inlich. Die Weltverbän­de müssen davon ausgehen, dass sich die besten Athleten eher auf Olympia konzentrie­ren und eine WM dann eventuell sogar komplett ausfallen lassen. Eine

WM ohne Stars will aber kein Verband, denn das lässt Einnahmen bei Ticketverk­äufen, Marketing und Fernsehliz­enzen einbrechen. Die Basketball-EM in Berlin soll immer noch im September 2021 ausgetrage­n werden, teilte Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball Bunds, mit.

Die für 2020 geplante Fußball-EM und die Copa América waren ebenfalls auf 2021 verschoben worden. Dies dürfte kaum ein Problem darstellen, da sie schon 2020 mit den Sommerspie­len kollidiert wären und ein olympische­s Fußballtur­nier seit jeher eher eins der besten Nachwuchss­pieler ist, Fußballsta­rs sieht man da nur in Ausnahmefä­llen.

Auf andere Athleten hat die Entscheidu­ng aber große Auswirkung­en. So wollte Kanu-Olympiasie­ger Ronald Rauhe eigentlich seine Karriere nach den Spielen in diesem Sommer beenden. »Jetzt muss ich das erst mal sacken lassen und mit meiner Frau Gespräche führen«, überlegt der 38jährige Potsdamer nun, die Laufbahn vielleicht doch zu verlängern. Dennoch steht er hinter der Verschiebu­ng. »Diese Spiele wären die Hölle für uns gewesen. Wir Sportler steckten in einem Dilemma: Auf der einen Seite wollten wir trainieren, auf der anderen unserer Vorbildfun­ktion in der Gesellscha­ft gerecht werden und Kontakte meiden.«

Auch anderen Athleten wie Turnerin Elisabeth Seitz, Golfer Martin Kaymer und Leichtathl­etin Cindy Roleder begrüßten die Verschiebu­ng erleichter­t unisono als einzig »richtige Entscheidu­ng«. Turner Marcel Nguyen brachte es am treffendst­en auf den Punkt: »Es gab keine Alternativ­e. Und dieser Trainingsb­lödsinn im Garten hat jetzt ein Ende.«

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Foto: dpa/AP/Jae C. Hong
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Foto: AFP/Kazuhiro Nogi Verschwomm­ene Hoffnung: Für diesen Sommer sind die Sommerspie­le in Tokio ins Wasser gefallen.

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