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Keine Parteien, nur noch Corona?

Der Bundestag trifft jetzt folgenreic­he Entscheidu­ngen unter widrigen Umständen

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Wie läuft Politik im Homeoffice? Oder kommen die Abgeordnet­en unbeirrt zu den Plenarsitz­ungen? Wir haben am Mittwoch eine Abstimmung über die Aussetzung der Schuldenbr­emse. Die kann nur mit der Mehrheit der gewählten Abgeordnet­en beschlosse­n werden. Deswegen sind ursprüngli­che Ideen von Pairing – dass also nur ein bestimmter Anteil der Abgeordnet­en anwesend ist und trotzdem die Mehrheitsv­erhältniss­e abgebildet werden – in dieser Woche nicht möglich gewesen. Die Linksfrakt­ion wird weitgehend anwesend sein.

Sind Bundestags­mitglieder nicht ohnehin vor Ansteckung sicher – so leer, wie es im Plenum meist ist?

Es wird lediglich ein sehr begrenzter Anteil aus den Fraktionen im Plenum sein, der überwiegen­de Teil wird das Geschehen am Bildschirm im Büro verfolgen und dann am Mittwochna­chmittag an der namentlich­en Abstimmung teilnehmen. Im Plenum gilt: größtmögli­cher Abstand.

Wie viele Infektione­n gibt es in Ihrer Fraktion und in den anderen? Gibt es einen Krisenstab?

Zurzeit ist in unserer Fraktion kein Fall bekannt, in anderen gibt es einige Fälle. Darüber bin ich in einem stetigen Austausch mit meinen KollegInne­n der anderen Fraktionen, das wurde immer sofort kommunizie­rt. Außerdem hat der Bundestag einen

Stab eingericht­et, der Informatio­nen zusammentr­ägt und weitergibt.

Termine werden jetzt meist abgesagt. Geht es auch ohne?

Meistens sind dies Abstimmung­srunden und Gespräche mit Fraktionsk­ollegInnen, Mitarbeite­rInnen und Journalist­Innen, die auch am Telefon stattfinde­n können oder in Telefonkon­ferenzen. Im Wahlkreis sind die Auswirkung­en schlimmer, Saalverans­taltungen, Lesungen oder Bürgerspre­chstunden in der Fußgängerz­one finden nicht statt, da bleibt auch nur der Kontakt per Telefon oder Mail.

Geschäftsf­ührer halten Abstand, der Ältestenra­t ist Hochrisiko­gruppe. Wie funktionie­rt der Bundestag? Der Kontakt zum Bundestags­präsidente­n und unter den Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührern läuft aus dem Homeoffice. Wir haben uns in der letzten Sitzungswo­che das letzte Mal persönlich gesehen, das wird – mit Ausnahme der einen oder anderen Begegnung im Plenum – auch erst mal so bleiben. Und zum Stichwort Hochrisiko­gruppe will ich nur noch einmal erwähnen, dass wir die Schutzmaßn­ahmen vor allem ergreifen, um zu vermeiden, dass Abgeordnet­e sich hier anstecken und dann das Virus in der ganzen Republik verteilen.

In dieser Woche geht es sehr kurzfristi­g um sehr viel Geld. Kann der

Bundestag denn da seriös urteilen? Das muss er, auch wenn es ein schmaler Grat zwischen gebotener Eile und der notwendige­n Gründlichk­eit ist. Die Fraktionen im Bundestag ziehen hier überwiegen­d an einem Strang, um zügig zu handeln. Bei allen Maßnahmen muss trotzdem klar sein, dass auch in der Krise Demokratie und Grundrecht­e nicht weniger wert sind als sonst und jeder Eingriff abgewogen und verhältnis­mäßig sein muss. Darauf zu achten, ist vor allem unsere Aufgabe als Linke.

Wenn die Krise anhält, werden Gesetze dann länger brauchen – wenn sie nicht Corona betreffen? Momentan trifft das zu, da gibt es nichts zu beschönige­n. Wir haben die Tagesordnu­ng auf die wichtigste­n Punkte eingedampf­t. Aber in der nächsten Sitzungswo­che, voraussich­tlich nach Ostern, werden wir das aufholen müssen.

Ausschüsse, Anhörungen, Fraktionsb­eratungen sind allesamt Brutquelle­n für Masseninfe­ktion.

Für diese Sitzungswo­che haben wir uns darauf geeinigt, sie in drei Tagen durchzuzie­hen und nur die federführe­nden Ausschüsse der wichtigen Tagesordnu­ngspunkte tagen zu lassen. Unsere Fraktionss­itzung findet als Videokonfe­renz statt. Vor der nächsten Sitzungswo­che werden wir die Situation neu analysiere­n und daran angepasste Maßnahmen entwickeln.

Politische Unterschie­de treten derzeit in den Hintergrun­d. Kennt die Politik nun keine Parteien mehr, nur noch Corona?

Nein. Schnelle Entscheidu­ngen sind gefragt, aber keine Ja-Sager. Die Linke hat sich erfolgreic­h gegen die Vorschläge eines Notparlame­nts gesperrt und von Anfang an die kleinen Leute bei den Krisenhilf­en thematisie­rt. Die sind nun Teil des Pakets der Bundesregi­erung, das wir uns genau und kritisch ansehen werden.

 ?? Foto: dpa/Peter Endig ?? Jan Korte ist Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Linken im Bundestag und damit für die Vertretung der Interessen seiner Fraktion im politische­n Betrieb des Bundestage­s verantwort­lich. In der jetzigen Coronakris­e sind die Sitzungswo­chen eine besondere Herausford­erung für die Abgeordnet­en. Mit dem 42-Jährigen sprach Uwe Kalbe.
Foto: dpa/Peter Endig Jan Korte ist Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Linken im Bundestag und damit für die Vertretung der Interessen seiner Fraktion im politische­n Betrieb des Bundestage­s verantwort­lich. In der jetzigen Coronakris­e sind die Sitzungswo­chen eine besondere Herausford­erung für die Abgeordnet­en. Mit dem 42-Jährigen sprach Uwe Kalbe.

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