Es liegt in der jetzigen Situation auch etwas Heilsames, weil man sieht, dass wir alle auf einem Vulkan tanzen.
Noch so eine überraschende Parallele zur aktuellen Corona-Situation, oder?
Ja. Man sieht daran, wie wenig wir uns auf unser optisches Wahrnehmungsvermögen verlassen können. Ich hatte damals auch Kästen mit Süßwasser und Salzwasser ausgestellt. Für die Lebewesen, die dort leben, ist der Unterschied existenziell. Sieht man Süßwasser und Salzwasser nur in Gefäßen ausgestellt, erkennt man den Unterschied aber nicht. Und bei dem Virus jetzt ist es ähnlich. Die Gefahr ist riesengroß, obwohl man nichts sieht.
Sie sind Jahrgang 1940, haben den Zweiten Weltkrieg noch erlebt und bewusster die schweren Nachkriegsjahre. Ist die Lage jetzt damit vergleichbar? tanzen. Ich bin ja nicht als Kind in der Wohlstandsgesellschaft aufgewachsen, wo alles im Überfluss war, sondern habe die Not noch verinnerlicht.
Reizt Sie all das zu einer künstlerischen Reaktion oder halten Sie eher inne, auch aus Pietät wegen der vielen Kranken und Toten?
Ich bin ja kein Klaus Staeck, der kaum, dass er die Zeitung gelesen hat, schon einen Kommentar dazu gibt. Wenn, dann wird sich im Laufe der Zeit eine Reaktion einstellen.
Wie nehmen Sie es auf, dass der Coronavirus nun auch in Ihre konzeptuell gedachte Ausstellung eingegriffen hat, in der in 100 Tagen 100 verschiedene Arbeiten in den Galerieraum gebracht werden sollten? Jetzt herrscht ja eine Pause auf unbestimmte Zeit.
Man könnte das Ganze tatsächlich als Konzeptkunst sehen. Mich haben schon immer die Forschungen über die Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Gerüchten interessiert. Das geht noch auf die Zeiten vor dem Internet zurück. Man kann es in mathematischen Modellen fassen, die dann geometrisch sehr attraktiv dargestellt werden. So könnte man ganz wertneutral auch die Ausbreitungsmuster des Virus darstellen. Das wäre schon ein Bild für sich.
Der Konzeptkunst ähnlich ist, dass alles weniger im Visuellen geschieht – abgesehen von den Bildern aus den Krankenhäusern und mit den Särgen in den Militärfahrzeugen. Aber es ist weitgehend eben nicht optisch und akustisch erfahrbar, sondern verlagert sich ins Gedankliche, in den Kopf, auch mit all den Geboten und Verboten, die daraus erwachsen.
Corona ist, so gesehen, ein Konzeptkünstler?
Ja, genau, denn es verändert unsere Wahrnehmung.