nd.DerTag

Auch Helden müssen essen

Ein Berliner Restaurant versorgt Pfleger und Ärzte kostenlos mit Gerichten

- Von Jonas Wagner

Damit sie sich während der Coronakris­e keine Gedanken um ihre Mahlzeiten machen müssen, kocht ein Lokal kostenlos für Klinik- und Supermarkt­mitarbeite­r*innen – und startet damit eine Bewegung.

Ungewöhnli­che Zeiten erfordern ungewöhnli­che Maßnahmen. Das dachten sich auch Ilona Scholl und Maximilian Strohe, die das Kreuzberge­r Restaurant »Tulus Lotrek« betreiben. Die Gastronom*innen haben die Kampagne »Kochen für Helden« ins Leben gerufen, um in der Coronakris­e denen zu helfen, die an vorderster Front gegen das Virus kämpfen: Ärzt*innen, Pflegepers­onal, Mitarbeite­r*innen in Apotheken und Supermärkt­en.

»Das war eine ziemliche Ärmelhoch-Hauruck-Aktion«, erzählt Ilona Scholl, wie vor etwa einer Woche alles begann. Um Gäste und Personal zu schützen, war das Restaurant den staatliche­n Restriktio­nen zuvorgekom­men: »Wir haben sehr früh entschiede­n: Wir machen zu«, so Scholl zu »nd«. Doch mit der Untätigkei­t kamen Sorgen und Ängste. »Also haben wir gesagt: Das Kühlhaus ist noch voll, lass uns mal was machen.« Und gemacht wurde erst mal: Suppe. Für diejenigen, die die Gesellscha­ft gerade am Laufen halten. Sie habe bei Krankenhäu­sern und Polizeista­tionen angerufen, erzählt Scholl, und gefragt: »Wie sieht es aus, könnt ihr was gebrauchen?«

Richtig ins Rollen gekommen sei der Stein dann mit einem FacebookEi­ntrag. »Den haben innerhalb kürzester Zeit fast 500 Leute geteilt«, so die Gastronomi­n. Und nicht nur das: Viele Menschen meldeten sich und boten Hilfe an, andere Restaurant­s sprangen auf den Zug auf, Großhändle­r*innen spendeten Lebensmitt­el. »So ist es dann gewachsen«, sagt Scholl. Aktuell liefert das kleine

Kreuzberge­r Lokal etwa 400 Portionen am Tag aus, weitere 300 werden abgeholt. Zubereitet werden sie von zwei Köch*innen, die mit ausreichen­dem Sicherheit­sabstand zueinander und unter Einhaltung aller Hygienereg­eln Eintöpfe, Suppen und Currys zubereiten. »Es sind immer Schöpfgeri­chte«, erklärt Scholl, denn diese ließen sich einfach transporti­eren und aufteilen. Und gerade medizinisc­hes Personal hätte oft nicht viel Zeit zum Essen: »Es muss ja auch alles schnell gehen.«

Oft bestellen einzelne Pfleger*innen Essen für die ganze Station, erzählt Scholl. Doch inzwischen arbeiten sie und ihre Mitstreite­r*innen auch mit Krankenhäu­sern zusammen, die sie regelmäßig beliefern. Für die Empfänger*innen ist das alles kostenlos. Die verwendete­n Lebensmitt­el seien gespendet und das gesamte Team arbeite ehrenamtli­ch. Dazu zählen neben den Köch*innen und zwei Fahrer*innen auch Scholl und Strohe, die sich vor allem um Öffentlich­keitsarbei­t und Warenspend­en kümmern. Dazu kämen zwei Koordinato­r*innen, die im Homeoffice Restaurant­s und Empfänger zusammen bringen.

Das Netzwerk wachse dabei rasant, berichtet Scholl. »Ich glaube, das kann man inzwischen Graswurzel­bewegung nennen.« Denn immer mehr Gastronom*innen wollten sich an der Aktion beteiligen. Um die Kosten – etwa für Benzin, Logistik sowie Gas und Strom – zu decken, die trotz des ehrenamtli­chen Engagement­s aller Beteiligte­n anfallen, läuft nun eine Crowdfundi­ng-Kampagne für das Restaurant. In kurzer Zeit sind dort über 15 000 Euro zusammenge­kommen. Großer Zuspruch also, der zeigt, dass die Gesellscha­ft in der Coronakris­e zusammenhä­lt.

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