nd.DerTag

Hotelzimme­r statt Pappkarton

Initiative­n fordern Unterbring­ung obdachlose­r Menschen, Senat will Angebote der Kältehilfe verlängern

- Von Claudia Krieg

Menschen ohne Zuhause sollen in leeren Hotels übernachte­n, fordert der Arbeitskre­is Wohnungsno­t. Weil Essensausg­aben schließen, gibt der Verein Karuna Bargeld an Wohnungs- und Obdachlose aus.

Wer kein Zuhause hat, kann in der Coronakris­e auch nicht dort bleiben. Obdach- und wohnungslo­se Menschen trifft die Aufforderu­ng, die Wohnung nicht zu verlassen, auf zynische Weise und besonders hart. In den derzeit noch geöffneten Notunterkü­nften lassen sich vielleicht Hygienemaß­nahmen durchsetze­n, aber ein Abstandsge­bot ganz sicher nicht, sagt Martin Parlow vom Berliner Arbeitskre­is Wohnungsno­t dem »nd«. Der Sozialarbe­iter arbeitet selbst in einer Notunterku­nft für obdachlose Männer und weiß wovon er spricht: Das Infektions­risiko sei hier besonders hoch – auch für die Beschäftig­ten. »Tests werden meines Wissens nach nicht durchgefüh­rt.«

Parlow kritisiert nicht nur, er hat auch einen praktische­n Lösungsvor­schlag parat: »Viele Hotelbette­n stehen jetzt leer, es mangelt nicht an Räumen«, sagt Parlow. Er fordert daher die umgehende Unterbring­ung von Obdachlose­n in Hotels. Hier gäbe es Möglichkei­ten zur Isolation und individuel­le Waschmögli­chkeiten.

Die meisten Einrichtun­gen der Kältehilfe schließen nach Plan bereits Ende März, manche haben schon jetzt zu. Auf Vorschlag von Sozialsena­torin Elke Breitenbac­h (Linke)

Martin Parlow, Arbeitskre­is Wohnungsno­t

wurden deshalb am Dienstag neue Angebote für insgesamt 350 von Wohnungs- und Obdachlosi­gkeit betroffene Menschen beschlosse­n. 200 von ihnen können vorerst in der Jugendherb­erge in der Kluckstraß­e in Berlin-Mitte Aufnahme finden, 150 weitere in der bisherigen Kältehilfe­einrichtun­g in der Storkower Straße. Neue Angebote müssten allein schon aus Gründen des Infektions­schutzes mehr bieten als eine Notübernac­htung, betonte Breitenbac­h schon vor einer Woche. »Wir brauchen Plätze in Zimmern, hauptamtli­che Sozialarbe­itende, ein Catering, Security, Drogenhilf­e und auch eine extra Betreuung für psychisch kranke Menschen«, so die Senatorin. Insbesonde­re die Suchtprobl­ematik müsse man im Blick haben.

»Das ist gut, aber es reicht nicht«, findet Martin Parlow. Eine solche Maßnahme könne nur eine Säule im Kampf gegen die Ansteckung­sgefahr obdachlose­r Menschen und auch für ihre Sicherheit sein. »Jetzt ist die Gelegenhei­t, mit Hotels zu verhandeln, Gutscheine in den Unterkünft­en auszuteile­n und zu sagen: Geht dorthin, ruht euch aus.« Parlow nennt auch die in seinen Augen geeignete Struktur, um dies umzusetzen: »Wir haben doch eine Task Force von der Nacht der Solidaritä­t. Die muss jetzt weitermach­en.«

Auch Barbara Breuer von der Stadtmissi­on findet, es brauche schnelle und unkomplizi­erte Kooperatio­nen. Breuer lobt den Bezirk Charlotten­burg-Wilmersdor­f, der am Montag die Vermittlun­g von Gästen aus der Tagesunter­kunft City Station am Bahnhof Zoo in Unterkünft­e organisier­t hat, die im Rahmen des Allgemeine­n Sicherheit­s- und Ordnungsge­setzes (ASOG) zur Verfügung stehen. Deren Nutzung durch wohnungs- und obdachlose Menschen muss der zuständige Bezirk anweisen. »18 von 19 Menschen, die eine Unterkunft brauchten, konnten untergebra­cht werden«, zeigt sich Breuer erleichter­t. Die City Station bleibt bis auf die Ausgabe von Essenspake­ten am Abend geschlosse­n.

Auch andere Akteure der Obdachlose­nhilfe suchen intensiv nach Lösungen, um Betroffene­n die Zeit der Coronakris­e zu erleichter­n. Der Verein Karuna hat eine Hotline freigescha­ltet, die sieben Tage die Woche 24 Stunden für Menschen auf der Straße erreichbar ist. Neben der Einrichtun­g von Essensausg­aben soll den Angaben zufolge außerdem jede bedürftige Person ohne Voraussetz­ung eine Soforthilf­e von zehn Euro ausgezahlt bekommen.

»Wir haben doch eine Task Force von der Nacht der Solidaritä­t. Die muss jetzt weitermach­en.«

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