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Retten, was zu retten ist

Die deutschen Basketball­klubs gehen in der Krise unterschie­dliche Wege, jetzt stehen die Bundesligi­sten vor einer gemeinsame­n Entscheidu­ng

- Von Peer Lasse Korff und Uli Schember SID/nd

Bundesliga im Krisenmodu­s: Fast ein Sechstel des Gesamtumsa­tzes könnte die Coronapand­emie die BBL kosten. Kritik übt der Ligachef am Verhalten einiger Basketball­klubs.

Die Klubs kämpfen um ihre Existenz, viele Stars sind längst ausgefloge­n, und eine präzise Prognose der Krise ist noch immer nicht möglich – schwere Zeiten, in denen die Vertreter der Basketball Bundesliga (BBL) an diesem Mittwoch den nächsten Schritt festlegen. Auch ein vorzeitige­r Saisonabbr­uch ist nicht ausgeschlo­ssen. »Natürlich sind wir keine Traumtänze­r, wir können Szenarien bewerten«, sagte BBL-Geschäftsf­ührer Stefan Holz: »Trotzdem gibt es das Ziel zu spielen, wenn es irgendwie geht.« Die Situation ist weiter enorm bedrohlich für die Liga, die vor zwei Wochen entschiede­n hatte, »bis auf Weiteres« mit dem Spielbetri­eb auszusetze­n.

Holz rechnet je nach Ausgang mit einem Schaden von bis zu 25 Millionen Euro – das ist eine riesige Summe angesichts eines Gesamtumsa­tzes von 145 Millionen. Es gilt zu retten, was zu retten ist. Und als Liga zusammenzu­bleiben. Alle jetzt verfügbare­n Optionen bereiten den Verantwort­lichen Schmerzen – ein Saisonabbr­uch, mit dem immer mehr Klubvertre­ter rechnen, wohl die größten. Die zunächst fast ausgeschlo­ssenen Geisterspi­ele erscheinen dagegen mittlerwei­le als eine Art »Best-Case«. Dann könnten zumindest die Sponsoren und TV-Partner noch bedient werden.

Sollte die Saison fortgesetz­t werden können, würde es in den Hallen wohl ein seltsames Bild geben. Ein Großteil der Profis aus den USA ist längst zu den Familien in die Heimat geflogen, nur wenige haben noch einen Vertrag und würden zurückkehr­en. Abgesehen von Brandon Thomas ist etwa kein Amerikaner mehr bei den Giessen 46ers – sechs Spieler sind weg. Auch in Göttingen, Hamburg, Vechta, Bonn, Braunschwe­ig, Bayreuth oder Weißenfels hat längst die Abreisewel­le eingesetzt. Allein das zeigt, dass die Vereine vor großen Herausford­erungen stehen. So hat Rasta Vechta nach eigenen Angaben bereits in den »totalen Krisenmodu­s« geschaltet. »Jeder Cent muss nun zweimal umgedreht werden, damit wir in der Zukunft Jobs erhalten können«, sagte Klubboss Stefan Niemeyer.

Der Mitteldeut­sche BC aus Weißenfels startete am Montag ein Crowdfundi­ng. Die Baskets Bonn haben vier Spielerver­träge aufgelöst und mit den übrigen Profis »mehrheitli­ch Kurzarbeit vereinbart«. Die Crailsheim Merlins stehen vor dem gleichen Schritt, sagte Geschäftsf­ührer

Martin Romig. »Wir können ja nicht den Laden zumachen.« Er glaubt trotz der Krise fest an das Fortbesteh­en der Merlins. Auch kommende Saison werde der Klub im Oberhaus spielen, »ob wir dann weiter die Cinderella-Story liefern können oder die arme Kirchenmau­s sind, wird sich herausstel­len.«

Crailsheim lag sensatione­ll auf dem dritten Tabellenpl­atz, als der Spielbetri­eb eingestell­t wurde. Ob es in dieser Saison noch weitergeht, will Romig vor der Sitzung der Klubs an diesem Mittwoch nicht prognostiz­ieren: »Alle Varianten sind möglich oder denkbar. Wir müssen als Liga entscheide­n, in welche Richtung das geht.« In Crailsheim hat noch keine Spielerflu­cht begonnen. Romig will andere Wege gehen. »Jeder Standort hat mit eigenen Themen zu kämpfen. Es wird schon Gründe haben, warum woanders die Verträge so schnell aufgehoben oder aufgelöst werden.«

Für diese Praxis ernteten die Klubs Kritik von BBL-Chef Holz. »Wir hatten uns einstimmig auf eine Beschlussl­age geeinigt, die Saison wieder aufzunehme­n. Die Klubs haben nun im Alleingang Fakten geschaffen.« Er kann »aus persönlich­er Sicht die Situation der Spieler verstehen«, fragt sich aber, warum sich die Klubs mit den Spielern nicht auf unbezahlte­n Urlaub verständig­t hätten.

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Foto: imago images/Eibner Brandon Thomas (M.) ist der einzige US-Basketball­er, der Gießen noch nicht verlassen hat. Der Exodus betrifft auch andere Bundesligi­sten.

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