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Rückzug aus Venezuela

US-Sanktionen setzen dem russischen Ölkonzern Rosneft zu.

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Der russische Ölkonzern Rosneft zieht sich aus Venezuela zurück. Der überrasche­nde Schritt des bisher größten wirtschaft­lichen Verbündete­n könnte die wirtschaft­lichen Probleme Venezuelas vertiefen.

Rosneft gibt die Beendigung seiner Geschäftst­ätigkeit in Venezuela und die Veräußerun­g seiner Vermögensw­erte im Zusammenha­ng mit der Geschäftst­ätigkeit in Venezuela bekannt.« Diese Presseerkl­ärung machte am Wochenende in Venezuela Schlagzeil­en. Man werde seine Anteile an ein zu 100 Prozent in Besitz des russischen Staates befindlich­es Unternehme­n verkaufen, so der Konzern weiter. Der Name des Unternehme­ns blieb ungenannt. Als Ausgleichs­zahlung erhält Rosneft 9,6 Prozent seines eigenen Aktienkapi­tals vom Käufer, der in dieser Höhe Aktien von Rosneft übernimmt.

Rosneft war mit einem erhebliche­n Anteil am Ölhandel und an der Rohölprodu­ktion Venezuelas bislang der größte wirtschaft­liche Verbündete und so etwas wie eine Lebensvers­icherung für die Regierung Nicolás Maduros. Die Verbindung war unter Druck geraten, als die Trump-Administra­tion Ende Februar Sanktionen gegen zwei in der Schweiz ansässige Tochterfir­men von Rosneft verhängte. Washington wirft Rosneft Trading und TNK Trading Internatio­nal vor, für die mit Sanktionen belegte Regierung in Caracas internatio­nal Ölverkäufe arrangiert zu haben.

Seit April 2019 verhängte Washington immer härtere Zwangsmaßn­ahmen gegen Venezuelas Wirtschaft, darunter den Öl- und Bankensekt­or.

Durch die US-Sanktionen vom globalen Finanzsyst­em ausgeschlo­ssen, war Venezuelas staatliche­r Ölkonzern PdVSA gezwungen, die Organisati­on der Ölexporte an ausländisc­he Partner abzugeben. »Rosneft spielte 2019 eine sehr wichtige Rolle für Maduro und PdVSA, als niemand venezolani­sches Öl wollte und sie es abgenommen haben«, sagt Antero Alvarado, in Caracas ansässiger Energieexp­erte und VenezuelaD­irektor von Gas Energy Latin America,

gegenüber »nd«. Dies sei über ein System von Schuldvers­chreibunge­n und Benzinlief­erungen geschehen. Über Rosneft wurden zudem Schulden bei Dritten bezahlt. »Ihr Ausstieg ist daher ein wichtiges Symbol.«

Die US-Sanktionen beeinträch­tigten das Geschäft von Rosneft zunehmend in anderen Teilen der Welt, sagt Alvarado. Der Verkauf der Vermögensw­erte in Venezuela dürfte vor diesem Hintergrun­d vor allem ein Schritt sein, die Verbindung Rosneft–

Venezuela zu trennen. »Aber er bedeutet nicht, dass die Russen Venezuela verlassen.« Auswirkung­en auf Venezuelas Ölexporte sind jedoch zu erwarten. Rosneft verfügt über ein ausgeklüge­ltes Vertriebss­ystem; Rosneft Trading und TNK waren 2019 geschätzt für ein bis zwei Drittel der venezolani­schen Ölexporte verantwort­lich. Die neue Holdingges­ellschaft des Kremls verfügt möglicherw­eise nicht über die finanziell­en Mittel und das kommerziel­le Netzwerk, um den Ölhandel und die Investitio­nen auf demselben Niveau zu halten.

Rosneft-Sprecher Mikhail Leontiyev erklärte gegenüber Reuters, die Entscheidu­ng, den Betrieb in Venezuela einzustell­en, sei zum Schutz der Aktionäre des Unternehme­ns gefallen. Neben dem russischen Staat, der über Rosneftega­z etwas mehr als 50 Prozent der Anteile von Rosneft kontrollie­rt, zählen die britische BP mit knapp 20 Prozent sowie Katar über QH Oil Investment­s mit knapp 19 Prozent zu den internatio­nalen Anteilseig­nern. »Wir haben die Interessen unserer Aktionäre verteidigt und dies effektiv getan«, so Leontiyev. »Und für wen die Risiken gelten, ist für uns kein Thema. Hauptsache, die Risiken verlassen uns.«

Alvarado dagegen glaubt, »dasselbe Rosneft-Personal wird in Venezuela bleiben und die Operatione­n fortführen«. Das sei kein normaler Verkauf und auch nicht der Moment, ein Unternehme­n zu reorganisi­eren. »Sie suchen einen Wechsel der juristisch­en Figur, um mit mehr Flexibilit­ät operieren zu können.«

Anders als Rosneft muss eine staatliche Tochterges­ellschaft ihren Investoren keine Rechenscha­ft ablegen. Zudem bedeutet der angekündig­te Eigentümer­wechsel, dass künftige USSanktion­en gegen russisch kontrollie­rte Öloperatio­nen in Venezuela direkt gegen die russische Regierung gerichtet wären. Russlands Botschafte­r in Venezuela, Sergei Melik-Bagdasárov, twitterte: »Keine Sorge! Hier geht es um die direkte Übertragun­g von Rosnefts Vermögen in Venezuela an die russische Regierung. Wir werden auch in Zukunft gemeinsam vorangehen.« Maduro retweetete den Kommentar des Botschafte­rs.

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Foto: AFP/Luis Robayo Denkmal für die Rückerober­ung des nationalen Ölerbes Venezuelas in Caracas

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