nd.DerTag

Protestier­en mit Verantwort­ung

- Sebastian Bähr über politische Aktionen zu Corona-Zeiten

Das Wochenende war lehrreich. Erstmals musste man zu CoronaZeit­en in bundesweit­em Ausmaß eine Polizei erleben, die nicht mehr nachvollzi­ehbar agierte, sondern rabiat die Ausübung von Grundrecht­en verhindert­e. Mehrere Organisati­onen hatten für Sonntag zu einem Aktionstag aufgerufen und die Evakuierun­g von Flüchtling­en aus den griechisch­en Elendslage­rn gefordert. Die Demonstran­ten waren verantwort­ungsvoll und kreativ. Sie trugen Schutzmask­en, hielten sich an den empfohlene­n Sicherheit­sabstand, waren alleine oder in Zweiergrup­pen unterwegs. Genützt hat ihnen alles nichts.

Mit Verweis auf das Infektions­schutzgese­tz gingen die Beamten vielerorts gegen die Proteste vor. Rückendeck­ung gab es von den Gerichten. Wenige Wochen vor dem 1. Mai wurde damit ein gefährlich­es Exempel statuiert. Das Versammlun­gsrecht wurde komplett ausgeschal­tet, kritische Meinungsäu­ßerungen wurden verhindert. Zur Erinnerung: Zur Lohnarbeit muss man weiterhin fahren, sofern es noch etwas zu tun gibt und Homeoffice nicht möglich ist. Die Ansteckung­sgefahr wird offenbar als vertretbar angesehen. Warum soll hier Handlungss­pielraum existieren, beim Protest aber nicht?

Gerade im Corona-Ausnahmezu­stand muss es möglich bleiben, die Maßnahmen der Regierung zu kritisiere­n, auch auf der Straße. Die künftige Gesellscha­ft wird in diesen Tagen verhandelt. Diesen Umstand genau so ernst zu nehmen wie die Pandemie – das ist kein Widerspruc­h.

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