nd.DerTag

Ein stiller Diplomat

Zum Tode des langjährig­en DDR-Außenminis­ters Oskar Fischer

- Von Wolfgang Hübner

Er war keiner dieser Krisenmana­ger, die in komplizier­ten Zeiten zwischen zwei heiklen Terminen – die Hand in der Hosentasch­e – in einen Wald von Mikrofonen hinein kurz und lässig die Welt erklären. So waren damals nicht die Zeiten, jedenfalls nicht auf seiner Seite der großen Trennlinie, und so war er nicht als Mensch. Oskar Fischer war ein stiller Verhandler, ein unspektaku­lärer Diplomat, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat.

Geboren 1923, wurde er früh als Soldat in den Weltkrieg hineingezo­gen und geriet 1944 für zwei Jahre in sowjetisch­e Kriegsgefa­ngenschaft. Ein Grunderleb­nis. Er kam zurück ins fast schon geteilte Deutschlan­d, trat der FDJ und der SED bei, wurde in jungen Jahren Funktionär und Politiker. Mit 32 Botschafte­r in Bulgarien – der Beginn dessen, was man heute Karriere nennen würde.

1975 wurde Fischer Außenminis­ter der DDR, nachdem er schon zehn Jahre stellvertr­etender Minister gewesen war. In diese Zeit fallen der Kampf der DDR gegen die vormundsch­aftlichen Ansprüche der Bundesrepu­blik und die zunächst allmählich­e, schließlic­h rasant fortschrei­tende internatio­nale Anerkennun­g des ostdeutsch­en Staats. Spätestens seit dem Grundlagen­vertrag zwischen DDR und BRD 1972/73 und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa 1973 wurde die DDR internatio­nal zum gleichbere­chtigten Partner. Oskar Fischer hat daran maßgeblich mitgearbei­tet, auch als verlässlic­her Verhandler. Mitte und Ende der 70er Jahre verging zuweilen kaum eine Woche, in der das »Neue Deutschlan­d« nicht die Akkreditie­rung neuer Botschafte­r in Berlin-Ost und damit Zuwachs fürs Diplomatis­che Korps meldete.

Fischer behielt sein Amt über die Wendemonat­e im Herbst 1989 hinaus bis zur Volkskamme­rwahl im März 1990. Das kann man als Bestätigun­g seiner Fachkompet­enz lesen. Nach dem Ende der DDR wurde es schnell still um ihn. Keine Skandale, keine öffentlich­en Bekenntnis­se. Er gehörte nicht zu den nachträgli­chen Besserwiss­ern. Interviewa­nfragen lehnte er ab. Am 2. April ist Oskar Fischer im hohen Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben.

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