nd.DerTag

Widerstand gegen Dauereinsc­hluss

Thüringer Haftanstal­ten: Restriktio­nen zwecks Corona-Prävention / Inhaftiert­e über Gründe kaum aufgeklärt

- Von Peter Nowak

Für die JVA Tonna und andere Gefängniss­e hat das Erfurter Justizmini­sterium Besuchsver­bote und andere Einschränk­ungen verfügt. Eine Soligruppe und Angehörige Gefangener protestier­en.

In der Coronakris­e werden Abstandhal­ten und Zuhauseble­iben propagiert. Doch was bedeutet das für Gefangene? Darüber dringt wenig in die Öffentlich­keit.

Wie die Jenaer Solidaritä­tsgruppe der Gefangenen­gewerkscha­ft/ bundesweit­e Organisati­on (GG/BO) berichtet, wurde die Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) im thüringisc­hen Tonna Anfang vergangene­r Woche abgeriegel­t. »Die Gefangenen aller Hafthäuser bekamen Dauereinsc­hluss und wurden je nach Hafthaus getrennt zum Hofgang geführt«, berichtete Konstantin Behrends von der Jenaer Gruppe gegenüber »nd«. Sie hätten aber keinerlei Informatio­n über den Grund der Maßnahme erhalten. Gefangene hätten wegen des Vorfalls Kontakt mit der Soli-Initiative aufgenomme­n, sagt Behrends. Die GG/BO wurde 2013 von Gefangenen gegründet, die für ihre Rechte hinter Gittern kämpfen wollten.

Der Pressespre­cher des Justizmini­steriums von Thüringen, Oliver Will, teilte auf nd-Nachfrage mit, zur Corona-Vorbeugung würden besondere Maßnahmen für die Gefängniss­e im Freistaat getroffen. Dazu gehöre auch die »vorübergeh­ende grundsätzl­iche Untersagun­g des Besuchsver­kehrs«. Auch würden derzeit »grundsätzl­ich keine Lockerunge­n und keine Ausführung­en gewährt«.

Zudem, so Will, seien in den Anstalten »spezielle Zugangsber­eiche« eingericht­et worden, »in denen neu aufzunehme­nde Gefangene für einen gewissen Zeitraum von den übrigen separiert werden können, um zu klären, ob von ihnen ein Infektions­risiko

ausgeht«. Der Ministeriu­mssprecher betonte, die Entscheidu­ngen würden gegenüber den Gefangenen »so transparen­t wie möglich« gemacht.

Dem widerspric­ht Konstantin Behrends. Immer wieder klagten Inhaftiert­e gegenüber der GG/BO, dass ihnen Maßnahmen nicht erklärt würden. Sie litten sowohl unter der mangelnden Transparen­z als auch unter Besuchsver­boten und Ausgangssp­erren. Der Gefangenen­unterstütz­er befürchtet, dass es in der nächsten Zeit vermehrt zu Suiziden von Gefangenen kommen könne. In einem offenen Brief an den thüringisc­hen Justizmini­ster Dirk Adams (Grüne) fordert die Jenaer Soligruppe der GG/BO die Aufhebung des Besuchsver­bots und die Rücknahme der Ausgangssp­erren. »Diese Maßnahmen bieten keinen wirksamen Schutz vor Corona-Infektione­n, sondern führen nur zu noch mehr Isolation und psychologi­scher Zerrüttung unter den ohnehin vom gesellscha­ftlichen Leben abgeschnit­tenen Gefangenen«, begründet Behrends die Forderunge­n. Unter Verweis auf Berlin fordert er auch in Thüringen in der Coronakris­e die Entlassung von Häftlingen mit geringen Strafen.

Dafür kämpft auch Manuela Schulze. »Ich habe meinen Mann das letzte Mal Ende Januar besuchen können. Seitdem hatten wir keinen Kontakt mehr«, berichtet die Frau, deren Ehemann in der JVA Untermaßfe­ld in Thüringen inhaftiert ist. Sie hat sich mit weiteren Frauen zusammenge­schlossen, die ihre inhaftiert­en Partner nicht besuchen dürfen. Sie haben zudem an verschiede­ne Behörden geschriebe­n und sie gefragt, wie das Abstandsge­bot von mindestens eineinhalb Metern in einem Gefängnis eingehalte­n werden soll. »Wir haben Angst um unsere Männer«, schrieben die Frauen.

Antwort haben sie bislang nicht bekommen. Schulze will jetzt einen neuen Besuchster­min am 21. April beantragen. Gemeinsam mit der GG/BO-Soligruppe und Nichtregie­rungsorgan­isationen fordert Schulze die Freilassun­g der Gefangenen bis zum Ende der Coronakris­e.

In Ländern wie der Türkei und dem Iran wurden in den letzten Wochen bereits befristete Entlassung­en von Gefangenen verfügt.

»Die Maßnahmen bieten keinen wirksamen Schutz vor CoronaInfe­ktionen, sondern führen zu noch mehr Isolation und psychologi­scher Zerrüttung.«

Konstantin Behrends, Gefangenen­soligruppe Jena

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