Ein Anwalt für Gerechtigkeit
Labours neuer Parteichef – wieder einmal keine Chefin – heißt mit Vornamen wie der Allererste: die Eltern nannten Keir Starmer nach Labour-Gründer Keir Hardie, der 1915 starb. Mit 56 Prozent der Mitgliederstimmen gelang Starmer ein Erdrutschsieg wie 2015 seinem Vorgänger Jeremy Corbyn. Zu einem Zeitpunkt, da bis Samstag mehr als 4300 Briten Covid-19 zum Opfer gefallen sind, ging das Ereignis fürs erste fast unter.
Der 57-jährige Starmer, Anwalt von Beruf und Menschenrechtler aus Neigung, bekam den Adelstitel »Sir« nicht in die Wiege gelegt, sondern als erfolgreicher Oberster Staatsanwalt. Seit 2015 findet sein Gerechtigkeitssinn im Unterhaus Platz, wo er einen Londoner Wahlkreis vertritt. Dem Vorgänger Corbyns diente er als Anti-Brexit-Sprecher, gewann dadurch Respekt unter der mehrheitlich international denkenden Massenmitgliedschaft.
Im Kampf gegen Corbyns Favoritin Rebecca Long-Bailey profilierte sich Starmer keineswegs als Tony-Blair-Anhänger, sondern als intelligente, integre Persönlichkeit ohne Feinde, die gegen Antisemitismus und Mobbing bei Labour auftreten und die Partei einigen will. Ein kühl und analytisch denkender Kopf ersetzt den Charismatiker Corbyn, der allerdings im Dezember Labours schlechtestes Wahlergebnis seit 1935 einfuhr. Auch linke Mitglieder wollen wieder siegen. Zuerst gegen Corona, dann gegen Boris Johnson.