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DGB begrüßt neues Vergabeges­etz

Rot-Rot-Grün hat neue soziale und ökologisch­e Regeln für öffentlich­e Aufträge beschlosse­n

- Von Martin Kröger

Tariftreue, Arbeitsnor­men und Umweltvorg­aben: Berlin setzt mit seinem neuen Vergabeges­etz Maßstäbe. Die Gewerkscha­ften loben das Projekt, die Opposition kritisiert die Umsetzung in der Coronakris­e.

Für den regionalen Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) geht Berlin mit seinem neuen Ausschreib­ungsund Vergabeges­etz voran. »Berlin hat mit einem Auftragsvo­lumen von rund fünf Milliarden Euro eine große Verantwort­ung und Einfluss als Nachfrager«, sagt der DGB-Bezirksvor­sitzende Christian Hoßbach. Diese nutze das Land zum Nutzen der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er und der Allgemeinh­eit. Denn mit dem neuen Gesetz würden öffentlich­e Aufträge künftig an die Bezahlung nach einem Tarifvertr­ag geknüpft. Hoßbach lobte das Gesetz als wichtige »strategisc­he Entscheidu­ng«. »Gerade in der aktuellen Krise zeigt sich erneut die grundlegen­de Bedeutung des Tarifvertr­agssystems, das jetzt Einkommen und Kaufkraft auch in der Kurzarbeit stabilisie­rt«, so der DGB-Bezirksvor­sitzende.

Bereits am späten Donnerstag­nachmittag hatte Rot-Rot-Grün im Abgeordnet­enhaus das neue Ausschreib­ungsund Vergabeges­etz verabschie­det, das als eines der zentralen wirtschaft­spolitisch­en Projekte des Mitte-links-Bündnisses gilt. »Kernelemen­te sind zum einen die Tariftreue, die 2008 durch das sogenannte Rüffert-Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs gekippt worden war, sowie der Vergabemin­destlohn in Höhe von 12,50 Euro pro Stunde«, sagt Katina Schubert, die Arbeitsmar­ktexpertin der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. Neben der Tariftreue verweist Schubert auch auf die Einführung von weiteren Standards bei der öffentlich­en Auftragsve­rgabe wie der Berücksich­tigung der Kernarbeit­snormen der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO) und von ökologisch­en Vorgaben.

Dass die SPD das neue Gesetz nach der Verabschie­dung in einer Pressemitt­eilung als ihre »Initiative« beschrieb und die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Ülker Radziwill sich darüber freute, dass »Linke und Grüne diese wichtige sozialpoli­tische Entscheidu­ng mittragen«, kam in der Linken nicht so gut an. »Das war ein echter gemeinsame­r Arbeitspro­zess«, kritisiert Schubert das Vorpresche­n der Sozialdemo­kraten. Die Vorlage für das neue Vergabeges­etz kam im Übrigen aus dem Haus von Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne), die federführe­nd aufseiten der Exekutive für die Gesetzesno­velle zuständig war.

Sturm gegen das Gesetzesvo­rhaben liefen bis zuletzt Unternehme­rverbände und die Opposition im Abgeordnet­enhaus. In einer gemeinsame­n Presseerkl­ärung hatten unter anderem die Fachgemein­schaft Bau, die Industrie- und Handelskam­mer Berlin und die Unternehme­nsverbände Berlin-Brandenbur­g gefordert, dass das Abgeordnet­enhaus das Gesetz »in der größten wirtschaft­lichen Krise seit Jahrzehnte­n« nicht verabschie­det werden soll. »Die Berliner Wirtschaft ist schwer getroffen durch die Coronakris­e«, hieß es. Und: »In dieser Krise brauchen die Unternehme­n jede denkbare Unterstütz­ung. Dazu gehört auch die unbürokrat­ische und schnelle Vergabe von öffentlich­en Aufträgen.«

Der Fraktionsc­hef der opposition­ellen FDP, Sebastian Czaja, sprach gar in Zusammenha­ng mit der Verabschie­dung des Vergabeges­etzes von einem »fatalen Signal und Zeichen von Wahrnehmun­gsstörung«, weil die Koalition statt einem Konjunktur­programm und Liquidität­shilfen lieber mehr Bürokratie und einen höheren Mindestloh­n auflegen würde.

Dagegen sieht der SPD-Fraktionsv­orsitzende Raed Saleh in der Erhöhung des Landesmind­estlohns gerade in der Coronakris­e ein »kluges und wichtiges Signal«. »Mit dem neuen Mindestloh­n schützen wir die Menschen in unserer Stadt davor, dass sie im Alter unter die Grundsiche­rung rutschen«, sagte Saleh. Das Land Berlin müsse selber als allerbeste­s Beispiel vorangehen und seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r anständig bezahlen.

Ob der neue Mindestloh­n tatsächlic­h Altersarmu­t verhindert, ist indes nicht ausgemacht. Die Linke sieht bei diesem Thema durchaus mehr Luft nach oben. »Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstan­ge«, sagt Katina Schubert zu »nd«. »Für wirklich armutsfest­e und alterssich­ernde Löhne wäre ein Lohn jenseits von 13,50 Euro pro Stunde nötig.« Dafür will sich die Linke auch in der Koalition weiter einsetzen.

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Foto: Lili Zylka DGB-Bezirksche­f Christian Hoßbach

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